Emotionaler Abschied von einer Glocke

Glockenabschied, Predigt von Johannes Hanke (1887-1958), 8.7.1917, erste Seite;
aus: 7NL 009

„Lieber Freund! Heute will jemand von uns Abschied nehmen, der 27 Jahre unserer Gemeinde treu gedient hat, nun aber auch des Königs Ruf folgen muß. Unsere Vaterunserglocke! Sie, die kleinste unserer 3 Glocken, ist für tüchtig befunden, ihre eherne Stimme in vielfachen Schrei aufgelöst über das Schlachtfeld erschallen zu lassen.Sie, die einsam soll hinein gezerrt werden ins nächste Schlachtgewühl. Sie, die dem Dienste Gottes gedacht war, soll mithelfen im sündengeborenen Streit der Völker dieser Erde. Sie, die wie mit Kinder Stimme freundlich und friedvoll, entsang im Chor ihrer großen Schwestern soll nun in andrer Gestalt Schmerzensschreie auslösen und Herzen zerreißen. Sie, die erhaben über den Raub der Erde mit ihrem Klang nur einziehen wollte in den Frieden der Ewigkeit, soll nun Tod und Verderben speien“

Mit diesen martialischen Worten beginnt die Predigt des Pfarrers Johannes Hanke am 8. Juli 1917 in Eckardtsheim, einer Zweiganstalt der von Bodelschwing’schen Anstalten Bethel. Die Wehmut, die in diesen Worten zum Ausdruck kommt, macht deutlich, wie sehr Glocken zur Identität einer Kirche und ihrer Gemeinde beitragen. Sie zeugen aber auch von Demut gegenüber dem Kaiser und der übergeordneten Aufgabe, der die Glocke nun dienen sollte. So ist das Bibelwort, das der Predigt zu Grunde liegt, das des großen Töpfers (Jer 18,1-6), verbunden mit der Maßgabe: Hier tut der Herr sein Werk an uns und wir begeben uns in seine Hand. Damit ist Hanke ein typischer Vertreter des national-konservativen Zeitgeistes.

Die Predigt ist Teil des überaus reichen Fundus von Predigten im Nachlass von Johannes Hanke (1887-1958). Die ungewöhnlich dichte Serie erstreckt sich über die gesamte Amtszeit Hankes mit Stationen u.a. in Bethel, Duisburg-Ruhrort, Rheydt und vor allem in der Kreuznacher Diakonie. Der Bestand befindet sich derzeit in Bearbeitung und wird bald recherchierbar sein.

weitere Kriegspredigten finden sich auch im Blog: 1914-1918: Ein rheinisches Tagebuch
hier u.a.: die Kriegspredigt von  Pfarrer Ludwig Rehse zur Glockenabschiedsfeier der evangelischen Gemeinde Bergisch Gladbach am 1. Juli 1917

 

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