Das Archiv der Ev. Kirche im Rheinland weitet seinen Service hinsichtlich der Bereitstellung von Quellen weiter aus. Auf unserer Website können nun unter der bekannten Rubrik „Quellentexte zur Rheinischen Kirchengeschichte“ fortan auch die Digitalisate zu den rheinischen Provinzialsynoden der Jahre 1835 bis 1935 eingesehen werden. Die einzelnen protokollierten Verhandlungen können über einen Link aufgerufen und natürlich kostenfrei als PDF herunter geladen werden. Mittels OCR (Texterkennung) sind die PDFs auch in der Frakturschrift, z.B. über eine Stichwortsuche, problemlos recherchierbar.
Nachdem im 18. Jahrhundert die Regelmäßigkeit des Zusammenkommens der Synoden abnahm (sie tagten noch 1766, 1778, 1791, 1806), fanden sie im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem erfreulichen ca. dreijährigen Turnus abwechselnd in Koblenz, Bonn, Elberfeld, Barmen, Duisburg, vornehmlich aber in Neuwied wieder statt.
Neben den regulären Versammlungen finden sich in den Digitalisaten auch die Verhandlungen zu den außerordentlichen Rheinischen Provinzialsynoden 1892, 1898, 1908, 1909, 1919, 1932, 1934 und 1935, wobei die beiden letzten Treffen unter NS-Auspizien in Köln zusammen kamen.
Die Provinzialsynode ist die Vorgängerin der heutigen rheinischen Synode. Sie war (und ist es bis heute noch) Ausdruck eines presbyterial-synodalen Kirchenlebens, welches mit dem Übergang der rheinischen Gebiete an Preußen durch den Wiener Kongress 1815 und dem Ringen mit Preußen um eine Kirchenordnung dennoch erhalten werden konnte. Nicht kampflos stellten sich die Rheinländer dem Versuch König Friedrich Wilhelms III., eine einheitliche, episkopal-konsistorial geprägte Kirchenverfassung für Preußen und damit auch für die Provinz Rheinland zu etablieren. Nach einer 20jährigen Auseinandersetzung fruchteten ihre Mühen in einer eigenen, am 5. März 1835 verabschiedeten „Kirchenordnung für Westfalen und die Rheinprovinz“. Die Kirchenordnung von 1835 ist ein mit presbyterial-synodalen sowie episkopalen Elementen gespickter Kompromiss mit Preußen, der die rheinischen Forderungen etwa nach einer Zusammensetzung ihrer Synoden aus Geistlichen und Laien, die freie Wahl ihrer Präsides und die freie Pfarrwahl in den Gemeinden widerspiegelt. Nicht gewährt wurde hingegen die Bedingung, dass die leitende Synode kirchengesetzgebendes Recht besitzen sollte. Preußen bestand auch beharrlich auf die Erhaltung der königlichen Konsistorien (ab 1816 in Düsseldorf, dann in Köln, ab 1826 in Koblenz und ab 1934 schließlich wieder in Düsseldorf) und dem Amt des Generalsuperintendenten. Dieser stand dem von der Synode gewählten Präses zur Seite, wohingegen der preußische König als „summus episcopus“, d.h. als Oberhaupt der ev. Kirche, fungierte.
Die Rheinische Provinzialsynode brachte zwischen 1835 und 1935 14 Präsides hervor, von denen Walter Wolff und Paul Walter Humburg die bekanntesten sein dürften. Hier die Präsides in chronologischer Reihenfolge:
1835-1846: Franz Friedrich Gräber (1784-1857)
1847-1851: Georg August Ludwig Schmidtborn (1798-1860)
1853-1860: Johann Heinrich Wiesmann (1799-1862)
1862-1864: Johann Karl Friedrich Maaß (1800-1864)
1865-1877: Friedrich Nieden (1812-1883)
1877-1888: Stephan Friedrich Evertsbusch (1813-1888)
1890-1893: Karl Wilhelm Ferdinand Kirschstein (1820-1893)
1893-1898: Valentin Umbeck (1842-1911)
1899-1905: Friedrich Wilhelm Schürmann (1834-1905)
1908-1912: Albert Hackenberg (1852-1912)
1914-1917: Georg Hafner (1850-1917)
1919-1931: Walter Wolff (1870-1931)
1932-1933: Friedrich Schäfer (1871-1953)
1934-1943: Paul Walter Humburg (1878-1945).
Die Protokolle der Rheinischen Provinzialsynode sind wichtige historische und rechtliche Quellentexte des rheinischen Kirchenlebens vor dem Hintergrund geschichtlicher Umbrüche. Sie zeichnen die Entwicklung der rheinischen Provinzialkirche unter preußischer Verwaltung, unter dem Wegfall des landesherrlichen Kirchenregiments 1918, während der Weimarer Republik über die Machtergreifung der Nationalsozialisten bis zur theologischen Erklärung von Barmen 1934 und dem damit folgenden Bruch mit dem Reichskirchenregiment. Verhandelt wurden alle das religiöse und kirchliche Leben betreffende Fragen, wie etwa die Modi der Pfarrerwahlen, Predigten, Armenpflege, Finanzen, Gestaltung der Ehe, der Entwurf eines Unions-Katechismus (bis 1859 waren 43 Katechismen auf dem Gebiet der rheinischen Kirche in Gebrauch), eine Belebung der Presbyterien, etc. Neben kirchenpolitischen Fragestellungen wurden auch gesamtgesellschaftlich implizierte Themen diskutiert, z.B. Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen (1869), Vorgehen die „separatistischen und sectirerischen Bewegungen“ (1881), Arbeiterfürsorge, Kirchenzucht, Bekämpfung der „Unkeuschheit mit besonderer Berücksichtigung der verderblichen Wirkung der unsittlichen Literatur“ (1906), Wirkung des Krieges auf das Gemeindeleben (1917) oder die Vergnügungssucht in Stadt und Land (1922). Die Protokolle der Rheinischen Provinzialsynode sind damit nicht nur die Verschriftlichung trockener Verhandlungen. Sie ermöglichen zudem Rückschlüsse und Einblicke auf gesellschaftliche, soziale, wirtschaftliche und politische Vorgänge, Probleme und Entwicklungen, kurzum auf das Leben der Menschen im Rheinland.
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