Die Zeitschrift „Adlerauge“ der evangelischen Jugend Düsseldorf-Eller und Dr. Sommer („Bravo“)

Kürzlich erhielt das Landeskirchliche Archiv einen wahren Schatz: die Zeitschrift „Adlerauge“ (später „Elleraner Prisma“ bzw. „Eller-Prisma“) der evangelischen Jugend Düsseldorf-Eller aus den Jahren 1955 bis 1960. Gesammelt hatte diese Hefte Klaus Hüttner, der seine Jugendzeit in Düsseldorf-Eller verbracht hatte. Er hatte sich der Jugendarbeit der Ev. Kirchengemeinde unter der Leitung von Dr. Martin Goldstein angeschlossen und war „technischer Direktor (in Wirklichkeit auch Chefredakteur)“ der Zeitschrift, wie er in einem Brief 2018 schrieb. Die Sammlung hat seine Tochter freundlicherweise nach seinem Tod dem Archiv übergeben.

Dass hier über sechs Jahre hindurch die Jugendarbeit einer evangelischen Kirchengemeinde in der zweiten Hälfte der 1950er dokumentiert ist, dürfte eine absolute Seltenheit sein. „Adlerauge“ erschien im Prinzip monatlich, z.T. allerdings in Doppelausgaben. Die Sammlung umfasst 50 hektographierte Hefte von meist 10 bis 16 Seiten Umfang; wenige Hefte fehlen.

Zeitschrift Adlerauge, 1. Jg., Okt. 1955, Nr. 1 Bestand: Archivbibliothek AEKR, Signatur: ZK 1485
Zeitschrift Adlerauge, 3. Jg., März. 1958, Nr. 6 Bestand: Archivbibliothek AEKR, Signatur: ZK 1485

Die Zeitschrift berichtet über Veranstaltungen wie Singabende, Bastelgruppen, Elternnachmittag, Gemeindejubiläum, Offene Jugendabende, Allianz Gebetswoche, Jugendfahrten, Kirchentage, Jugendtage, die Arbeiten an dem Ferienheim in Herchen, neue Mitarbeitende in der Gemeinde, die Jugendräume, Filmabende und bringt geistliche Betrachtungen, Geschichten, Rätsel, Geburtstagswünsche, Interviews.

Jetzt muss noch die rätselhafte Formulierung in der Überschrift aufgelöst werden: Was hat „Adlerauge“ mit Dr. Sommer von der Zeitschrift „Bravo“ zu tun?

Diese erscheint immer noch, wie man gerade kürzlich anlässlich ihres Jubiläums hörte, und dürfte allen Lesenden dieses Beitrags bekannt sein. Trifft das auch noch für „Dr. Sommer“ zu, der zwischen 1969 und 1984 in der „Bravo“ Fragen der Jugendlichen zum Thema Sexualität beantwortete? Das Pseudonym „Dr. Jochen Sommer“ steht für Dr. Martin Goldstein, eben jenen Jugendleiter in Düsseldorf-Eller, genannt „Häuptling“. Als ich im Wikipedia-Artikel über ihn diesen Zusammenhang las, war ich schon überrascht und fand das dann höchst interessant für meinen Blogbeitrag über „Adlerauge“!

Dr. Martin Goldstein, 1966; Aus Bestand: 2LR003(Evangelische Jugendakademie Radevormwald) Va Fotoslg. 1

Goldstein hatte Medizin studiert und wurde 1954 in Düsseldorf zum Dr. med. promoviert. 1955 wurde er hauptamtlicher Jugendleiter der Kirchengemeinde Düsseldorf-Eller. In der Festschrift „90 Jahre Evangelisch in Eller“ (1994, S. 31) berichtet Rainer John, wie es dazu kam:

„Ein Jahr seiner Studienzeit hatte Dr. Goldstein in Amerika verbracht. Darüber hielt er vor der Gemeindejugend einen so erfrischenden Diavortrag, dass Pfarrer Krämer ihm antrug, die Jugendleiterstelle in dem im Bau befindlichen Gemeindezentrum hinter der Schloßkirche zu übernehmen. Martin Goldstein absolvierte zunächst seine Zeit als Assistenzarzt im Evangelischen Krankenhaus und nahm dann am 1. Januar 1955 seinen Dienst in der Gemeinde auf.

Seine Wurzeln hatte er im CVJM sowie in der „bündischen Jugend“. Kennzeichen waren seine uns vorgelebte Religiosität, seine ansteckende Fröhlichkeit, sein Ideenreichtum und sein großer Arbeitseinsatz. Es gelang ihm schnell, eine Jugendarbeit nach dem Jungscharprinzip aufzubauen. […] Höhepunkte waren die zahlreichen Freizeiten […] und die jährlichen Jugendtage. Er verstand es in besonderer Weise, Jugendliche und Eltern entsprechend ihren Fähigkeiten und Talenten in ihre Arbeit einzubauen. […]

Recht bald fand er den Mut, die aus Jungen und Mädchen „gemischte“ Jugendarbeit einzuführen. Behutsam führte er sexualpädagogische Seminare durch, und bald waren gemischte Gruppen und Freizeiten ein Selbstverständlichkeit. […]

Einmal habe ich ihn gefragt, warum er diese Aufgabe als Jugendleiter übernommen und nicht als Arzt weiter gearbeitet habe, wobei er doch viel mehr hätte verdienen können. Seine Antwort: ‚Man braucht solche Leute!‘

Er war eines meiner Vorbilder für mein Leben. Und das war er nicht nur für mich, sondern für viele, die durch ihn geprägt worden sind.“

Zeitschrift Adlerauge, 5. Jg., Jan. 1960, Nr. 4 Bestand: Archivbibliothek AEKR, Signatur: ZK 1485

Ende März 1960 schied er aus dieser Funktion aus und wurde Mitarbeiter der Jugendkammer der Ev. Kirche in Deutschland. Das erwähnt der Schreiber des Wikipedia-Artikels nicht. Rainer John wiederum schreibt in der Festschrift nichts von Dr. Sommer und der „Bravo“. Er gibt allerdings einen anderen wichtigen Hinweis: Martin Goldstein habe später eine Dozentur an der Jugendakademie in Radevormwald übernommen. Und hier schließt sich der Kreis wieder zu unserem Archiv: Träger der Ev. Jugendakademie Radevormwald war die Ev. Kirche im Rheinland, und unser Archiv verwahrt deren Akten im Bestand 2LR 003! Findbuch-Datei öffnen, nach Goldstein suchen: Ca. 40 mal ist der Name Goldstein enthalten! Und ein Foto aus den 1960er Jahren findet sich hier auch!

Am 04.11.1962 wurde Goldstein als Dozent dort eingeführt Sein Ausscheiden wird nicht erwähnt. Später hatte Goldstein eine psychotherapeutische Praxis in Düsseldorf (lt. Wikipedia).

Da müsste man mal weiter graben …

Zeitschrift Adlerauge, 5. Jg., Febr. 1960, Nr. 4 Bestand: Archivbibliothek AEKR, Signatur: ZK 1485

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