Pfarrer rufen von der Kanzel zur Impfung auf

Die Pocken oder Blattern forderten Ende des 18. Jahrhunderts in Europa ca. 400.000 Todesopfer im Jahr. Der Sieg über diese in Verlauf und Sterblichkeit gleichermaßen schreckliche Krankheit verdankt sich einzig der konsequenten Impfung über 150 Jahre hinweg.

1818, genau 20 Jahre nach der grundlegenden Publikation Edward Jenners zur Schutzwirkung der Kuhpockenimpfung (daher auch Vakzination, vacca (lat.) = Kuh), erhält der junge Haaner Pfarrer Peter Jakob Momm (1784-1847, amtiert 1816-1847 in Haan) Post vom Landrat in Mettmann.

Er möge bitte das beigefügte Publikandum zur Blatternimpfung von der Kanzel verlesen. Dieses bezieht sich auf die 1809 erlassenen preußischen Impfregelungen und schildert zunächst die verheerenden Auswirkungen der Krankheit selbst auf diejenigen, die die Krankheit überlebt haben. Umso mehr könne die Menschheit der gütigen Vorsehung nicht genug danken, die ihr mit der Schutzpockenimpfung ein ebenso leichtes wie zuverlässiges Mittel in die Hände gegeben habe. Nun gelte es aber auch sich so manchen blinden Vorurteilen entgegen zu stellen und an die heilige Pflicht der Eltern zur Impfung zu appellieren. Es folgen genaue Vorgaben zur Quarantäne Erkrankter.

Die Einbindung der evangelischen Pfarrerschaft in das staatliche Verwaltungshandeln ist dabei nichts Neues und seit der frühen Neuzeit etablierte Strategie. In der Folge erhielt Momm bis 1843 regelmäßig Post von Landrat bzw. Bürgermeister zur Propagierung der „Gesundimpfung“. So wird er 1821 aufgefordert, er möge in der Kirche „den Eltern ans Herz legen, dass sie ihre blatternfähigen Kinder mit den Schutzblattern versehen lassen möchten.“

Die stete Wiederholung spricht dafür, dass es ein langer und mühseliger Weg war, die Eltern von der Notwendigkeit der „unschätzbaren Wohltat“ der Impfung zu überzeugen. In der gesamten preußischen Monarchie wurden in den 1820er Jahren jährlich etwa 400.000 Kinder geimpft. In seinem Schreiben von 1835 verlässt der Haaner Bürgermeister das gedrechselte Amtsdeutsch und wird deutlicher:

„Seit Aufhebung der früher dieserhalb bestehenden Zwangsmittel ist das ohnehin sehr beschwerliche Impfgeschäft eines der unangenehmsten und undankbarsten Geschäfte für den Verwaltungsbeamten geworden, was daraus zu schließen ist, dass seit jener Zeit die Zahl der ungeimpften Kinder in der Samtgemeinde Haan zu circa 900 herangewachsen ist, und da nun im Allgemeinen die Bewährung dieses Schutzmittels nicht verkannt wird, so ist darnach zu bemessen, dass es bisher den Eltern an gutem Willen gefehlt hat, oder sich die Säumigen einer unverantwortlichen Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit schuldig gemacht haben.“

Entsprechend wird von Pfarrer Momm einmal mehr eine „kräftige Ermahnung“ der Eltern erwünscht. 1842 heißt es hingegen wieder nüchterner, der Pfarrer möge den Impftermin „in der Kirche den Anwesenden bekanntmachen und dieselben durch Darstellung der Wichtigkeit und Nützlichkeit der Sache zu allgemeinen Teilhabe an diesem Geschäfte aufmuntern.“

Die Schreiben zur Pockenimpfung und den Maßnahmen zur Eindämmung der Cholera finden sich in der Akte 4KG 122 (Haan), Nr. 164.

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