Deutsche Auswandererseelsorge in Brasilien vor 1914

Pfarrersleute in Brasilien, in: 75 Jahre deutsch-evangelischer Diasporaarbeit in Nord- u. Südamerika – Eine deutsche evangelische Kirche im Urwalde Südbrasiliens, P.M. Dedekind, Elberfeld 1912

„Pfarrersleute in Brasilien“, so lautet der Titel dieser ca. 1912 entstandenen Aufnahme in der Festschrift der „Evangelischen Gesellschaft für die protestantischen Deutschen in Amerika“. Beim Blick auf das Pfarrerehepaar hoch zu Ross vermag man auch die praxisnahen „Ratschläge für die Ausrüstung“ (1,37 MB) nachzuvollziehen, die 1905 von der Gesellschaft für ausreisefreudige jüngere deutsche Theologen publiziert wurden. Dort wird den Pfarrfrauen unter anderem die Mitnahme eines Reitrocks, lang aus schwarzem, waschbaren Stoff, empfohlen. Dem Pfarrherrn wurde dringend nahegelegt: „1 guter Revolver mit Zentralfeuer und nötige Munition u. U. angenehm. Jagdflinte würde nur sehr seltenen Gebrauch finden. Praktisch ein längeres Jägermesser.“

Akten und Publikationen der 1837 ursprünglich in Langenberg gegründeten, später in Barmen beheimateten Gesellschaft befinden sich jetzt im Archiv der EKiR.

Deren Hauptbetätigungsfeld bildete aber in den ersten Jahrzehnten die USA. 1881 erfolgte der Zusammenschluss mit dem 1864 in Barmen gegründeten „Komitee für die protestantischen Deutschen in Südamerika“. Einen Schwerpunkt der deutschen Auswanderung nach Brasilien bildete der südlichste Bundesstaat Rio Grande do Sul. Dort gab es vor dem Ersten Weltkrieg 186 (!) deutsche evangelische Gemeinden. Viele waren aus dem armen Hunsrück ausgewandert und verständigten sich bis weit in das 20. Jahrhundert hinein auf „Riograndenser Hunsrückisch“. Brasilianer mit deutschen Vorfahren wenden sich bis heute an unsere Ev. Archivstelle Boppard zur Erforschung ihrer Familiengeschichte.

Eine Fundgrube zu Alltag und Mentalität der deutschen Pfarrer in Südbrasilien bildet die Zeitschrift der Gesellschaft „Der deutsche Ansiedler“, die uns in den Jahrgängen 1883-1941 vorliegt. Weiteres Aktenmaterial der Gesellschaft befindet sich als Bestand 121 im Evangelischen Zentralarchiv Berlin. Dort liegt auch die Überlieferung des Evangelischen Oberkirchenrates und des Kirchlichen Außenamtes, mit denen die Barmer Gesellschaft bei der Entsendung von Geistlichen und Lehrern ins Ausland eng kooperiert hat.

2 Gedanken zu „Deutsche Auswandererseelsorge in Brasilien vor 1914

  1. Hallo Herr Dr. Flesch!
    Bei dem Bild aus der Festschrift zum 75. Jubiläum
    der Protestantischen Gesellschaft für die Deutschen in Amerika handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um meine Großeltern Luise und Heinrich Dietz aus Hessen/Nassau. Er hatte sich 1903 auf eine Stelle in der Kolonie Sao Lorenco der „Pommeranos“ beworben und ist dann mit seiner frisch angetrauten Frau am 1.12.1903 von Hamburg aus auf dem MS „Hellas“ der HAPAG nach Porto Allegre in See gestochen. Bis das Paar in Sao Lorenco ankam war ein viertel Jahr vergangen und die Frau schwanger. Mein Großvater war dann bis 1911 Pfarrer in der Gemeinde „Bom Jesu“ und ließ sich danach aus gesundheitlichen Gründen nach Deutschland zurück versetzt. Die Heimreise traten sie mit 4 Kindern an. Mit Bildern aus unseren Unterlagen konnte ich die Identität der „Pfarrersleute“ bestätigen..
    Das Bild dürfte ca 1910 entstanden sein. Das Mädel ist wahrscheinlich eine Hausangestellte.
    Meine Bitte an Sie: Kann ich eine Kopie dieser Festschrift bekommen am besten per email als .pdf.
    Sind Sie an weiteren Informationen interessiert?
    Es gibt da zum Beispiel eine Dissertation einer Deutsch-Brasilianerin neueren Datums über Protestanten in Südbrasilien, die mir als .pdf vorliegt.
    Mit herzlichem Gruß aus Clausthal-Zellerfeld

  2. Lieber Herr Dietz,
    haben Sie herzlichen Dank für diese tollen Informationen! Es ist und bleibt faszinierend, wie das Web zur Erschließung historischer Bildbestände beitragen kann. Eine PDF der Festschrift geht Ihnen per Mail zu.
    Stefan Flesch

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