Für die ersten fast 50 Jahre der preußischen Verwaltung in der Rheinprovinz, also für die Zeit von 1816 bis 1860, ist die Quellenlage zur Kirchengeschichte in unserem Archiv sehr dünn. Die Sachakten des Konsistoriums in Koblenz und die Personalakten der Pfarrer aus dem 19. Jahrhundert wurden beim Bombenangriff 1944 auf Bonn im Gebäude des Provinzialkirchenarchivs zerstört. Die sog. Ortsakten mit den Vorgängen zu den Kirchengemeinden beginnen überwiegend erst nach 1850; älteste Serie sind in der Regel die Pfarrstellenakten, die bei den alten Gemeinden zwischen 1846 und 1854 einsetzen. Der Bestand „Provinzialkirchenarchiv“ (1OB 020) enthält für die Zeit nach 1815 nur wenige Archivalien. Einen guten Überblick zur Überlieferung auch anderer Archive bietet das Vorwort des Findbuchs zum Bestand 1OB 002 (Konsistorium), S. 6 ff.
Das „Kirchliche Amtsblatt des Königlichen Consistoriums der Rhein-Provinz“ wurde erst mit der Nr. 1 vom 1. Juli 1860 eingeführt. Aber es existiert für die Jahrzehnte davor eine Quelle, für die man beim ersten Blick keine Erkenntnisse zur Kirchengeschichte erwarten würde:
das „Amts-Blatt der Königlichen Regierung“, das in jedem der später so genannten Regierungsbezirke Aachen, Düsseldorf, Koblenz, Köln, Trier und Kleve (bis 1821) erschienen ist. Diese Amtsblätter sind in unserer Archivbibliothek überliefert, im Katalog allerdings noch nicht abschließend erfasst. Auch digital sind die Amtsblätter inzwischen überwiegend frei zugänglich. Im Folgenden möchte ich eine Übersicht über die digital im Internet vorliegenden Bestände geben (Quelle: Zeitschriftendatenbank – ZDB, und Google):
- Aachen: Eine genaue Übersicht bietet die Seite bei Wikisource
- Düsseldorf: Das Amtsblatt liegt digital frei zugänglich vor
- Kleve: Das Amtsblatt (erschienen 1816-1821) liegt digital frei zugänglich vor
- Koblenz: Das Amtsblatt liegt digital frei zugänglich vor
- Köln: Das Amtsblatt liegt digital frei zugänglich vor
- Trier: Das Amtsblatt liegt nur für einige Bände digital frei vor, vor 1860 nur 1834 (als Cöln bezeichnet) und 1856
Im Rahmen dieses Beitrages möchte ich v.a. hinweisen auf ein Verzeichnis, das die kirchlichen Betreffe, also Gesetze, Verordnungen und Personalia, der Amtsblätter der Königlichen Regierungen zu Kleve (1816-1821) und Düsseldorf (1816-1860) aufführt. Dieses wurde 1953 maschinenschriftlich erstellt, es umfasst 88 Seiten und ist in unserer Archivbibliothek in zwei Exemplaren mit den Signaturen J I b 024 und ZA 3 (bei der Serie des Amtsblattes Düsseldorf) vorhanden. Eine wahre Fleißarbeit, die der Bearbeiter – der handschriftliche Unterzeichner ist unleserlich – damals verrichtet hat!
Beispielhaft möchte ich auf Beiträge aus dem Düsseldorfer Amtsblatt 1816 und 1860 hinweisen: Mit Datum vom 12.09.1816 wurde im Amtsblatt Nr. 45 bekannt gegeben, dass „musikalische Aufführungen in den Kirchen, gegen Eintritts-Geld“ verboten seien, da „Kirchen bloß ihrer eigenthümlichen Bestimmung: dem Gottesdienste gewidmet bleiben müssen, und ihre Heiligkeit nicht durch solche Aufführungen entweiht werden dürfe.“
1860 findet sich im Amtsblatt Nr. 17 vom 16. März 1860 eine längere Verfügung des Evangelischen Oberkirchenrates in Berlin zur Sammlung einer „Kirchen- und Haus-Collekte zur Abhülfe der dringenden Nothstände der evang. Kirche“, die in der Zeit zwischen Ostern und Pfingsten zu sammeln sei. Es sollen ehrenamtliche – der Begriff wird hier natürlich noch nicht verwendet – Helfer dafür gewonnen werden. Notfalls müssten kirchliche Unterbeamte oder „sonst zuverlässige Personen, gegen Bewilligung einer mäßigen Remuneration aus dem Ertrage der Collekte“ beauftragt werden.“ Interessant ist die Angabe in der ergänzenden Verfügung der Regierung zu Düsseldorf vom 8. März, dass die Steuereinnehmer des Bezirkes die Kollekten in Empfang zu nehmen und an die Regierungshauptkasse abzuliefern hätten.
Ein anderes Beispiel aus dem Jahr 1860 (Nr. 62 vom 20.10.1860) betrifft die evangelische Gemeinde Wanheim-Angerhausen (heute zu Duisburg), die 1856 errichtet worden war. Hier wird die „Circumscription“, also die Umschreibung des Gebietes der Kirchengemeinde, bekannt gegeben.
Mir ist nicht bekannt, dass für die Amtsblätter der Regierungen zu Aachen, Koblenz, Köln und Trier derartige Verzeichnisse existieren.
https://archivalia.hypotheses.org/216964
Sehr geehrter Herr Graf, herzlichen Dank für Ihre Ergänzung, die ich gerne in den Text aufgenommen habe.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Dühr