Körpersprache-Gurus hätten gewiss ihre Freude an der Interpretation dieses Kupferstichs. Bei diesem selbstbewussten eleganten Herrn handelt es sich um den lutherischen Pfarrer Johannes Erasmus Blum (1624-1683). 1647 hatte er die Stelle in der kleinen Gemeinde Stolberg bei Aachen angetreten. Um deren Kirchenbau zu finanzieren, begab sich der junge Geistliche auf mehrjährige Kollektenreisen durch ganz Deutschland. Ihre Stationen und Ergebnisse sind in den beiden erhaltenen Kollektenbüchern im Archiv der EKiR genau dokumentiert.
Nunmehr profiliert und bekannt geworden, wurde Blum 1655 zum Prediger der lutherischen Gemeinde zu Amsterdam berufen. Dort entstand auch 1674 sein Portrait. In Amsterdam veröffentlichte er noch mehrere Bücher, hatte aber auch manche Kontroversen zu bestehen. Für den Bau der Ronde Kerk am Amsterdamer Singel unternahm er wiederum Kollektenreisen nach Hamburg, Lübeck und Lüneburg.
Sicheres gewandtes Auftreten und diplomatisches Geschick bilden die zeitlosen Qualifikationen für erfolgreiches Fundraising. Blum wurde dies geradezu in die Wiege gelegt, war er doch der Sohn des Cyriakus Blum, Sekretär des lutherischen Landgrafen von Hessen am Hof in Darmstadt. Theologie studierte er seit 1642 in Marburg, das damals kurzzeitig unter Darmstädter Einfluss stand. Erste Berufsstation bildete dann bereits 1644 das Hofpredigeramt bei Gräfin Anna von Waldeck in Schloss Kinzweiler bei Eschweiler.
In der neuen Pfarrstelle im nahen Stolberg begann der junge Pfarrer frohgemut im Frühjahr 1647 mit dem Bau der Vogelsangkirche. Zu Weihnachten 1650 konnte sie schließlich eingeweiht werden. Nach Ausweis der erhaltenen Kirchenrechnungen dürften die Gesamtkosten inkl. Grundstück mindestens 1.300 Reichstaler betragen haben, zu deren Finanzierung Blum Spender im gesamten lutherischen Orbit des Reiches aufsuchte.
Zwei sorgfältig gestaltete Kollektenbücher (4KG 072, A 3/2, 1-2) bilden Blums „Catalogus Beneficorum“, in dem er seine Spendenakquisen aufzeichnet. Die Beglaubigung erfolgte zumeist mit dem Siegel des Donators, einzelne hochadlige Geber sind auch mit einer Zeichnung ihres Wappens aufgeführt. Folgende Reiseziele sind nachweisbar:
Mai-August 1647: Aachen, Köln, Spaden, Kempen
Dezember 1647-Mai 1649: Osnabrück, Bielefeld, Herford, Minden, Hildesheim, Bremen, Aurich, Braunschweig, Goslar, Hannover, Arnstadt, Nürnberg (dort wird Blum Opfer eines Raubüberfalls), Bayreuth, Dresden, Leipzig, Prag, Eisenach, Wittenberg, Magdeburg, Hamburg
Herbst 1650: Köln, Darmstadt, Durlach, Straßburg, Frankfurt/Main
Mai-Juli 1652: Utrecht, Amsterdam, Buxtehude
Oktober 1652: Lübeck
Die Summe der in beiden Büchern aufgeführten Spenden beläuft sich auf knapp 3.000 (!) Reichstaler, das 24-fache des Jahresgehaltes eines Landpfarrers. Auch nach Abzug aller Reisespesen, der Vertretungskosten und der zwar zugesagten, aber nicht per Wechsel in Stolberg eingegangenen Beträge wird man sagen können, dass sich Blums Einsatz gelohnt hatte.
Durch den Druck einiger seiner Predigten, aber wohl auch durch geschicktes Networking im Laufe seiner Reisen, war man selbst in der Weltstadt Amsterdam auf Blum aufmerksam geworden und berief ihn 1655 zum Prediger der lutherischen Gemeinde. In der neuen Pfarrstelle gab es zunächst einmal Kommunikationsprobleme. Nachdem er einige Male auf Niederländisch gepredigt hatte, baten ihn seine Gemeindeglieder, doch bitte wieder Hochdeutsch zu sprechen, das sie immerhin besser verstünden als das, was Blum unter Niederländisch verstehe. Auch mit seinem strengen lutherischen Konfessionalismus eckte er im mehrheitlich reformierten Umfeld Amsterdams wiederholt an. Erfolgreich widmete er sich hingegen seit 1667 wieder der Finanzierung eines Kirchenbaues: Die architektonisch anspruchsvolle Ronde Kerk wird heute von einem benachbarten Hotel mitgenutzt.
Nebenher publizierte er noch mehrere theologische Traktate, darunter 1666 den Titel „Vier Vögel der Christen Lehrmeister: Das ist Tugendschule der Natur“. Seit einigen Jahren kränklich, bat Blum 1678 um seine Emeritierung. Er verstarb am 3. März 1683 in Amsterdam. Seine alte Gemeinde in Stolberg hatte er nicht vergessen und vermachte ihr testamentarisch 70 Reichstaler. Im 20. Jahrhundert revanchierten sich die Stolberger, indem sie ein neugestaltetes Kirchenfenster der Vogelsangkirche Pfarrer Johannes Erasmus Blum widmeten.
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