Neue Online-Findbücher: Verband Evangelischer Diasporapfarrer im Rheinland und Stiftung Bethesda – St. Martin

Auch auf der Konferenz in Rockershausen 1872 kam die Geselligkeit nicht zu kurz; aus Bestand: AEKR Boppard 5WV 023B Nr. 18

Im Zuge der Retrokonvertierung von Findmitteln sind zwei neue Online-Findbücher aus dem Bereich der Selbständigen Werke und Einrichtungen (5WV) veröffentlicht worden. Es handelt sich zum einen um das Archiv des Verbandes Evangelischer Diasporapfarrer im Rheinland. Der Zusammenschluss wurde 1859 auf Initiative der Inneren Mission zunächst als „Eifeler Diaspora-Prediger-Konferenz“ aus der Taufe gehoben, um den weit voneinander entfernt eingesetzten oft noch jungen Diasporageistlichen der zumeist ebenso jungen Eifelgemeinden mit ihren verstreut unter einer fast ausschließlich katholischen Bevölkerungen lebenden Gemeindegliedern eine Möglichkeit des amtsbrüderlichen Austausches zu geben. Sie sollten „sich gegenseitig aussprechen können, ihre Nöthe klagen, ihre Erfahrungen mittheilen, und in gemeinsamer Berathung die zweckmäßigsten Wege für eine gesegnete Amtsthätigkeit in den Diasporagemeinden ermitteln.“ Dass sich die Konferenz, die eigentlich unter sich bleiben wollte, bereits 1862 für sieben rechtsrheinische Gemeinden öffnete und schon 1866 zur „Rheinischen Diaspora-Prediger-Konferenz“ wurde, zeigt, wie groß das Bedürfnis nach einer solchen Gemeinschaft war. Ab 1871 bzw. 1881 zählten auch Pfarrer aus Elsass-Lothringen und Hohenzollern zu ihren Mitgliedern. 1948 wurde die Konferenz zum „Verband Evangelischer Diasporapfarrer und (ab 1986) -pfarrerinnen im Rheinland“. Den Schwerpunkt des Bestandes bilden die ausführlichen Unterlagen zu den jährlichen Konferenzen ab 1859 und der weiteren Verbandsarbeit sowie zu den von Beginn der 1970er bis Anfang der 2000er Jahre stattfindenden Studienfahrten und -wochen. Ergänzt wird der Bestand durch ein Bild- und Zeitungsarchiv in geringerem Umfang mit Aufnahmen und Artikeln der 1980er und 90er Jahre.

Ebenso wertvolle Unterlagen enthält das Archiv der Stiftung Bethesda – St. Martin, deren Ursprung ein 1855 im ehemaligen Kloster St. Martin in Boppard (heute u.a. Sitz der Evangelischen Archivstelle) gegründetes Magdalenenasyl für sogenannte „gefallene Mädchen“ ist. Gleichnamige Anstalten entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts auf Initiative von Anhängern der Erweckungsbewegung an verschiedenen Orten in Deutschland. In ihnen sollten ausstiegswillige Prostituierte und „sittlich gefährdete“ Mädchen und Frauen vor allem aus den Elendsquartieren der wuchernden Industriestädte in christlichem Sinne erzogen und für ein Leben in der bürgerlichen Gesellschaft ausgebildet werden. Die ab 1859 im neu erbauten Haus Bethesda am Ortsrand ansässige Anstalt „Evangelisches Magdalenenasyl Bethesda zu Boppard“ bezog nach dem Ersten Weltkrieg erneut das Klostergebäude und wandelte sich zu einem zunächst streng geführten Fürsorgeerziehungshaus für „sittlich gefährdete“ bzw. „gefallene“ und vorbestrafte minderjährige Mädchen.

Blick in einen Schlafsaal; aus Bestand AEKR Boppard 5WV 025B Nr. 186

Erste pädagogische Reformansätze gingen zum Ende der Weimarer Republik wieder verloren. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten gerieten die vermeintlich „erziehungsunfähigen“ und „erblich belasteten“ Mädchen und Frauen in den Fokus der Rassenhygiene. 79 von ihnen mussten sich zwischen 1934 und 1939 einer Sterilisation unterziehen. Das Archiv der Stiftung dokumentiert dieses dunkle Kapitel ebenso detailliert wie die übrige Arbeit der Anstalt, die sich 1962 in „Evangelisches Kinder- und Jugendheim Bethesda – St. Martin“ umbenannte und seit 1973 „Stiftung Bethesda – St. Martin“ heißt. Der Bestand enthält vor allem Vorstands- und Verwaltungsratsprotokolle sowie Jahresberichte, außerdem das Anstaltstagebuch der ersten Leiterin Amalie Göschen aus den Jahren 1855 bis 1892, ein Kriegstagebuch vom Frühjahr 1945 sowie zahlreiche Fotoalben aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

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