Mehr als 400 Jahre Gocher Gemeindegeschichte rund um ein Gasthaus

Das vollständige Findbuch ist jetzt online

Ältestes Lagerbuch der Reformierten Gemeinde Goch von 1585, aus Bestand: 4KG 055 (Goch), Nr 371

Dass der alte Aktenbestand der Kirchengemeinde Goch sehr interessant und wertvoll ist, steht außer Frage. Die Überlieferung ist, insbesondere für die reformierte Gemeinde und die im Jahr 1824 vereinigte Evangelische Gemeinde Goch, nicht nur sehr dicht, sie beginnt auch ausgesprochen früh: nämlich mit dem ältesten Lagerbuch von 1585. Selbst Archivrat Walter Schmidt, der im Jahr 1952 das erste Repertorium zum Bestand anlegte, ließ es sich nicht nehmen einzelne Aktenstücke mit dem Hinweis „hochinteressant“ zu versehen (s. z.B. Nr.115). Unter der Obhut des Gocher Archivpflegers wurden zahlreiche Aktenstücke bereits aufwendig restauriert. So zum Beispiel die 27 Pergamenturkunden, die unter dem Klassifikationspunkt Urkunden I erfasst sind. Die älteste Urkunde datiert aus dem Jahr 1379 und betrifft die Finanzierung des Gocher Gasthauses. Gasthaus meint in diesem Kontext natürlich nicht das Gasthaus, wie wir es heute kennen. Zwar stand es vermögenden Reisenden und Pilgern gegen Bezahlung für Übernachtung und Kost zur Verfügung, aber auch Alte, Kranke, Notleidende erhielten hier Hilfe. Nicht zuletzt wurden auch Waisen aufgenommen.

Rechnungsbuecher des Gast- und Waisenhauses der Evangelischen Kirchengemeinden Goch aus vier Jahrhunderten, aus: Bestand 4KG 055 (Goch), Nr.411

Das Gasthaus nimmt eine zentrale Rolle in der Geschichte der Gemeinde ein – man würde es heute vielleicht als Gemeindezentrum bezeichnen. Diese Rolle spiegelt sich auch in den Akten wieder. Einige Stücke aus vorreformatorischer Zeit, wie z.B. die oben erwähnte Urkunde, wurden offensichtlich in den Bestand der Evangelischen Gemeinde Goch übernommen. Im Jahr 1697 ging das ehemalige „Gasthaus zum Heiligen Geist“ durch einen Gebäudetausch mit der Stadt Goch vollständig an die Reformierte Gemeinde über. Schon zuvor waren in der dortigen Kapelle reformierte Gottesdienste abgehalten worden, die restlichen Gebäudeteile gehörten aber der Stadt und dienten u.a. auch als Rathaus. Jetzt aber sollte es zu einer Kirche umgebaut werden. Bau und Nutzung der Kirche sind in den Akten gut dokumentiert und in dem Buch „300 Jahre Evangelische Kirche am Markt zu Goch“ von Peter Oetken beschrieben.

Interessant ist auch eine Aktengruppe, die im Findbuch – sowohl im alten als auch im neuen – etwas stiefmütterlich behandelt wird, was vermutlich mit ihrem eher trockenen Thema Rechnungswesen zu tun hat. In ihrer Vollständigkeit ist sie aber durchaus bemerkenswert. Nicht weniger als 13 Archivkartons umfasst allein die Verzeichnungseinheit 411 mit dem Titel Gasthaus-, Armen- oder Waisenhaus-Rechnungen. In dicken Bündeln liegen die gebundenen Hefte mit den Jahresrechnungen vor. Einnahmen aus Pachten, Renten und Zuwendungen aller Art sind darin dokumentiert, Ausgaben für Unterhalt und Instandhaltung des Gebäudes. Sie geben aber auch preis, welche Gehälter ausgezahlt wurde, was für Lebensmittel, Kleidung, Arzneien aufgewendet wurde, und bieten damit eine interessanten Einblick in den Alltag der Gemeinde.

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