„Langsam scheint es mir, als sei dieser Krieg doch noch nicht so bald zu Ende.“

Eindrücke aus meinem Informatorium beim Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland

Feldpostbrief von Klaus Harney an seine Eltern vom 30. 09.1940, aus Bestand: AEKR 7 NL 169 (Nachlass Superintendent Rudolf Harney), 12 (Brief 5)

Auch wenn dieser Satz durchaus zu einigen Auseinandersetzungen unserer näheren Vergangenheit und Gegenwart passen würde – er stammt aus einem Feldpostbrief vom 30. September 1940. Sein Verfasser, der junge Klaus Harney, zum damaligen Zeitpunkt bereits Oberleutnant zur See auf dem Zerstörer Z5 „Paul Jacobi“ und aufgrund seiner Beteiligung am Kriegsbeginn in der Danziger Bucht mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet, schrieb diese Zeilen an seine Eltern, Elisabeth und Rudolf Harney, in einer Zeit, als die anfängliche Kriegsbegeisterung begann, der Realität zu weichen.

Der angeführte Satz ist nur einer von vielen, der mir während meines heute zu Ende gehenden Informatoriums im Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland (Standort Düsseldorf) im Kopf geblieben ist. Daher stelle ich ihn bewusst an den Anfang meines Beitrags. Die Arbeit mit Nach- und Vorlässen war eine Erfahrung, die ich bislang in meiner Ausbildung zur Diplom-Archivarin beim Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland aufgrund der staatlichen Überlieferungsstruktur nicht machen konnte. So wurde ich gleich zu Beginn meines vierwöchigen Informatoriums mit der Bearbeitung des Nachlasses vom langjährigen Düsseldorfer Pfarrer und in der Nachkriegszeit auch Superintendenten, Rudolf Harney, betraut. Wer sich nun fragt, warum ich daher keinen Satz vom Namensgeber des Bestandes zitiere, mag darauf verwiesen sein, dass ich erfahren durfte, wie unterschiedlich und inhaltlich überraschend Nachlässe ausfallen können. Tatsächlich besteht der von mir bearbeitet Bestand 7 NL 169 zurzeit noch zu einem Großteil aus Unterlagen aus dem Besitz des Sohnes Klaus Harney, der im September 1942 bei der Versenkung von U 756 verstarb.

Feldpostbriefe von Klaus Harney an seine Eltern, aus Bestand: AEKR 7 NL 169 (Nachlass Superintendent Rudolf Harney)

Hauptsächlich beschäftigte ich mich in den vergangenen Tagen meines Informatoriums daher mit dem Ordnen, Umbetten und Verzeichnen des Bestandes. Bevor das fertige Findbuch, mitsamt Foto und Abstract vor einigen Tagen auf der Homepage des Archivs der EKiR hochgeladen wurde, durfte ich jedoch auch in die Welt der Bildbearbeitung und Administration von Websites (über Joomla) eintauchen, was für mich bislang absolutes Neuland bedeutete, aber gerade im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen, auch im Archivbereich, eine wertvolle Erfahrung war.

Neben der Verzeichnung des Bestandes 7 NL 169 wurde die Erfassung von insgesamt etwa 600 Tonbandaufnahmen (8 SL 080 Tonbandarchiv Rheinland), die 2015 infolge der Auflösung des Evangelischen Medienverbandes Rheinland ins Archiv kamen, zu einer meiner Kernaufgaben. Aufgenommen wurden unterschiedliche Vorträge, Veranstaltungen und Diskussionen, vor allem auf den Evangelischen Kirchentagen, nebenbei aber auch beispielsweise Hörspiele der Evangelischen Rundfunkzentrale. Zukünftig soll auf Grundlage der Erfassung und des Abgleichs mit Bestandslisten die Entscheidung über die Abgabe der Bänder an das Medienarchiv der Franz-Becker-Stiftung Bielefeld bzw. bei Sprengelzugehörigkeit über den Verbleib im Archiv und eine anschließende Digitalisierung gefällt werden. Hierbei lernte ich, dass die Tätigkeit im Archiv durchaus manchmal ein „Massengeschäft“ sein kann, was mir jedoch eine gute Abwechslung zu dem Üben meiner paläografischen Kenntnisse beim Verzeichnen der fast 200 Schreiben des Sohnes aus den Jahren 1934-1942 bot.

Erfassung der Tonbandaufnahmen vom aufgelösten Ev. Medienverband Rheinland, Bestand: AEKR 8 SL 080 (Tonbandarchiv Rheinland)

Dass das Archiv der EKiR in der Hauptsache auch für die Kirchengemeinden und Kirchenkreise bei der Bildung, Unterhaltung und Pflege ihrer Archive bzw. der Umsetzung des Archivgesetzes der Evangelischen Kirche der Union und des Ausführungsgesetzes der Evangelischen Kirche im Rheinland eine wichtige Anlaufstelle ist, wurde mir bereits am ersten Tag vor Augen geführt, als ich einen Außentermin bei der Verwaltung des Kirchenkreises Moers mitbegleiten durfte. Da Anfang Juni im Kirchenkreis Moers der Umzug in ein neues Gebäude ins Haus stand, musste schnell entschieden werden, welche Akten weiterhin aufbewahrt und dementsprechend mitgenommen werden mussten. Die Beratung der einzelnen Archive der Kirchengemeinden und Kirchenkreise ist trotz bestehendem Einheitsakten mit integriertem Kassationsplan eine wichtige Angelegenheit, die gute Kenntnisse über die Schriftgutarten und Aufbewahrungsfristen erfordert, und vom Archiv der EKiR auch über die Ausbildung von Archivpflegern für Kirchenkreise und nicht zuletzt durch präventive Maßnahmen, wie die Schriftgutverwaltungslehrgänge für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungs- und Gemeindeämtern, betrieben wird.

Ferner konnte ich während meiner vier Wochen ein paar Recherchen für Benutzeranfragen durchführen, die vornehmlich mit dem Blick in Kirchenbücher, Personal- und vom Konsistorium angelegte Ortsakten verbunden waren und mir die Bestands- sowie Kirchenstrukturen näher brachten. Daneben gab es weitere kleinere Aufgabenfelder, von denen ich erfuhr, und Kenntnisse, die ich sammeln konnte, beispielsweise Fragen des Archivbaus beim Besuch des neuen Archivmagazins in einem ehemaligen Kirchengebäude in Moers-Meerbeck, die Schriftguteingangsbearbeitung für das Landeskirchenamt beim Besuch in der Registratur, die Kooperation mit anderen Bildungseinrichtungen bei einem interaktiven Vortrag für angehende TheologenInnen der Kirchlichen Hochschule Wuppertal zum Thema Pietismus (im Rheinland), die Prägnanz der richtigen Erfassung von Fotos mithilfe von Metadaten bei der Verzeichnung von Bildern des Fotografen Hans Lachmann sowie die manchmal recht mühsame Arbeit bei der Erstellung des Pfarrerbuches Rheinland (zur Zeit ist der Buchstabe „W“ in Bearbeitung). Dass ich in meiner zweiten Woche die Gelegenheit bekam einer erweiterten und gesangsstarken Hausandacht des Landeskirchenamtes beizuwohnen, in der auch alle neuen MitarbeiterInnnen eingeführt wurden, hat mich sehr gefreut.

Abschließend gilt mein Dank den MitarbeiterInnen des Archivs der EKiR. Es waren lehrreiche vier Wochen, in einer guten und kooperativen Arbeitsumgebung, die mich in meinem Berufswunsch der Archivarin bestärkt und mir gezeigt haben, dass jedes Archiv, trotz seines vergleichbaren Aufgabenfelds, für die anfallenden Probleme und Herausforderungen, je individuelle Lösungen und Strukturen herausbilden muss.

Miriam Oslislo, Staatsarchivinspektoranwärterin

 

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