Im Zuge einer Recherche im Bestand der Kirchengemeinde Wolf/Mosel sprang ein Schreiben aus dem Jahr 1817 mit vier Siegelstempeln ins Auge, von denen zwei auf den ersten Blick Widersprüchliches zu vereinigen scheinen: Über der in der Zeit der französischen Herrschaft zwischen 1798 und 1813 gebräuchlichen Bezeichnung „Saar-Departement“ thront der preußische Adler, und dem ebenfalls von den Franzosen kreierten Verwaltungsterminus „Local-Consistorium“ sind die Worte „Koen. Preussisches“ vorangestellt.
Historischer Hintergrund dieses Kuriosums ist, dass sich der Übergang von der französischen Administration zur preußischen Verwaltung in einem längeren Prozess vollzog, der sich von 1814 bis 1818 erstreckte. Wie immer in politischen Übergangszeiten konnten die alten Strukturen nicht von heute auf morgen aufgehoben werden, doch trotzdem musste man schon nach den neuen Bedingungen arbeiten, und so wurden zeitlich befristete Zwischenlösungen erforderlich.
Die französische Verwaltung hatte bekanntlich in den seit 1792 eroberten Gebieten auf dem linken Rheinufer im Jahr 1798 vier Départements eingerichtet, darunter das Département de la Sarre mit dem Verwaltungssitz in Trier. Untergliedert waren die Départements in Arrondissements und Kantone, wie das in Frankreich bis heute üblich ist. Als 1814 die verbündeten Armeen das linksrheinische Gebiet eroberten und ein gemeinschaftliches Generalgouvernement Mittelrhein einrichteten, ließ man die französischen Verwaltungsstrukturen zunächst bestehen und ersetzte lediglich die französischen Bezeichnungen durch deutsche: Das „Arrondissement Birkenfeld“ wurde zum „Kreis Birkenfeld“, das „Département de la Sarre“ zum „Saar-Departement“. Genauso verfuhr man mit den kirchlichen Strukturen: Die von den Franzosen durch die Organischen Artikel von 1802 eingerichteten Lokalkonsistorien, in denen mehrere bisherige Kirchengemeinden zusammengefasst waren, behielt man bei, ebenso die den Lokalkonsistorien auf Arrondissement-Ebene übergeordneten lutherischen Inspektionen.
Die beiden oben zu sehenden Siegelstempel der lutherischen Inspektion des Kreises Birkenfeld und des Lokalkonsistoriums Wirschweiler zeugen von dieser Periode. Hoheitszeichen enthalten diese Stempel nicht, weil das linksrheinische Gebiet bis Mai 1815 noch einer gemeinschaftlichen Verwaltung unterstellt war: Für das Saar-Departement war zunächst das gemeinsame Generalgouvernement Mittelrhein zuständig, ab Mitte 1814 dann für die Gebiete südlich der Mosel eine gemeinschaftliche Österreichisch-Bayerische Landes-Administrations-Kommission mit Sitz in Bad Kreuznach.
Erst der Wiener Kongress sprach 1815 auch das südlich der Mosel gelegene Territorium dem Königreich Preußen zu (zunächst nur bis zur Linie Bad Kreuznach – Medard – Konz, im Sommer 1816 dann auch das südlich dieser Linie gelegene, unmittelbar an Frankreich grenzende Gebiet der nachmaligen Rheinprovinz, von dem jedoch die Landstriche um Birkenfeld, Sankt Wendel und Meisenheim an Oldenburg, Sachsen-Coburg und Hessen-Homburg abgetreten werden mussten) – und seit dieser Zeit erscheint auch der preußische Adler in den entsprechenden Kirchensiegeln. Die von den Franzosen kreierten Begriffe des Saar-Departements und des Lokalkonsistoriums behielten aber für eine Übergangszeit – nämlich bis zur Einrichtung der Landkreise und der Kirchenkreise 1816/1817 – auch unter dem Preußenadler noch Gültigkeit.