Julius Smend is coming home: Über den langen Weg eines Gemäldes

Bei dem würdigen älteren Herrn im Gewand eines Ordinarius handelt es sich um den liberalen Theologen Julius Smend (1857-1930). Kirchengeschichtlich bedeutend ist er als Mitbegründer der sog. Älteren Liturgischen Bewegung, die sich bemühte, den evangelischen Gottesdienst von erstarrten Formen zu befreien. Hierzu propagierte Smend neue Wege in der Kirchenmusik und der Liturgie wie etwa auch den Einsatz von Einzelkelchen beim Abendmahl.

Rudolf Neugebauer: Portrait von Julius Smend (ca. 1924)

Was hat aber nun dieser gebürtige Westfale, der an den Universitäten Straßburg und Münster lehrte, mit dem Rheinland zu tun und vor allem, was hat es mit diesem Gemälde auf sich?

Es gibt hier zwei Anknüpfungspunkte. Smends erste Berufsstation war das Pfarramt in der kleinen Landgemeinde Seelscheid bei Siegburg. Dort amtierte er von 1885-1891 und brachte neuen Schwung in das Gemeindeleben. In der Kirchenmusik begründete er eine Singebewegung, die in Seelscheid über Jahrzehnte hin fest verankert blieb.

Zum anderen wurde der Nachlass Smends von seinem Sohn Friedrich Smend (1893-1980, Direktor der Kirchlichen Hochschule Berlin) 1930 geordnet und 1961 an das Archiv der EKiR gegeben. Dabei fehlte leider bereits die Abteilung D mit den autobiografischen Aufzeichnungen, die als verschollen gelten muss. Auch das Portrait befand sich zunächst in Berlin und gelangte in den 1970er Jahren durch Schenkung in den Besitz von Wolfgang Fritzsch. Dieser schenkte es um 1980 weiter an seinen Schwager Dr. Rudolf Müller in Hildesheim.

Ende Februar 2020 erhielt das Archiv von Herrn Müller das Angebot zum Erwerb des Ölbilds. Man wurde rasch handelseinig und vereinbarte frohgemut einen Abholtermin in Hildesheim, den man gut mit einem dienstlichen Termin am 18.3.2020 bei der EKD im nahen Hannover kombinieren konnte. Dann kam die Pandemie. Nachdem es im Frühherbst 2020 mit einem weiteren Versuch nicht geklappt hatte, lieferte jetzt ein Paketversender das gut gesicherte Gemälde an das Archiv.

Das Bild dürfte auf ca. 1924, kurz vor Smends Emeritierung in Münster, zu datieren sein. Portraitist war der Künstler Rudolf Neugebauer (1892-1961), ein renommierter Maler, Grafiker und Bildhauer, der seit 1920 in Hamburg lebte. Hier sieht man das Paket vor der Öffnung im Düsseldorfer Archiv, übrigens in charmantem Kontrast zur ca. zehn Jahre früher entstandenen Straßenszene Ernst Ludwig Kirchners.

Das Archiv verfügt über eine kleine gediegene Sammlung von Gemälden, zu denen etwa das bereits auf Ausstellungen gezeigte Bild „Luther als Mönch“ von Karl Bauer zählt. Das Smend-Portrait bildet hier kunstgeschichtlich wie kirchenhistorisch eine wertvolle Ergänzung.

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