Räuberbanden und wehrhafte Pfarrer

Überfall auf das Pfarrhaus im Mülheim (Stich)

Überfall auf das Pfarrhaus im Mülheim (8SL 063 Pfarrerfamilie Denhard, Nr.45)

Räuberbanden trieben in der Frühen Neuzeit ihr Unwesen im Rheinland.

Die Faszination, die heute von einigen dieser Banden und ihren teilweise legendären Repräsentanten ausgeht, ist bis heute ungebrochen. Die Legendenbildung begann zum Teil schon zu Lebzeiten der „Räuberhauptmänner“. So z.B. beim „Schinderhannes“ Johannes Bückler, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts am Südrhein für Unruhe sorgte.
Am Niederrhein waren mehrere Räuberbanden aktiv. Eine davon war die „Niederländische Bande“ um den berüchtigten Hauptmann Mathias Weber, aufgrund seiner Kampftechnik „ Fetzer“ genannt. Zahlreiche Verbrechen werden ihm im ausgehenden 18. Jahrhundert zugerechnet, u.a. zwei Raubzüge auf das Neusser Rathaus und ein Überfall auf einen Kölner Postwagen.

Einer der spektakulärsten Raubzüge der „Fetzer‘schen Bande“   richtete sich gegen das Pfarrhaus des reformierten Pfarrers Johann Otto Pithan (1742-1807) in Mülheim an der Ruhr. Der gab sich aber nicht kampflos geschlagen.

In der Nacht des 20. April 1797 näherte sich eine 15 Mann starke Gruppe über die Ruhr dem Mülheimer Pfarrhaus. Den Überraschungsmoment nutzend, überwältigten sie die Nachtwächter und stürmten mit einem Rennbaum gegen die Tür.

Unerschrocken öffnete der Pfarrer das Fenster und feuerte in den Knäul hinein. Leider traf er nur den Rennbaum, aber die Gewalt des Schusses war so groß, dass der Baum ihren Fäusten entsank. Die Bande stob auseinander; der Pfarrer schoß unentwegt in die Nacht.“ Schließlich gab die Türe doch nach und der Fetzer verschaffte sich Zutritt zum Haus. „Der Pfarrer und seine Gattin schrien durch ein Sprachrohr aus dem Fenster um Hilfe“, aber der Fetzer war schon in das Zimmer des Pfarrers vorgedrungen. „Dieser hielt sein Gewehr schußbereit auf die eindringenden Räuber gerichtet; leider war dem tapferen Mann aber die Munition ausgegangen. Die Bande suchte den Pfarrer zu umzingeln. Diese Gefahr merkend, warf der Pfarrer plötzlich die Flinte weg und sprang durch eine Hintertür, die zuzuschlagen er noch die Geistesgegenwart hatte, und stürmte die Treppe hinunter, wo er seine Gattin fand.“

Während der Gattin die Flucht gelang, wurde Pfarrer Pithan von den ihn verfolgenden Räubern überwältigt und unter Gewaltanwendung zur Herausgabe seiner Wertgegenstände gezwungen. „

Mittlerweile hatte die Frau des Hauses die Bewohner der Stadt geweckt. Die Sturmglocke wurde geläutet. Hilfe strömte herbei.“ Ab dieser Stelle sind sich die Berichte nicht mehr einig über den Fortgang der Geschichte. Während die Zeitungbeilage  „Aus der Heimat“ weiter berichtet „…aber zu spät, die Räuber waren mit ihrer Beute entkommen. An eine Verfolgung dachte keiner; so sehr waren die Banden überall gefürchtet.“, geht die Geschichte in der etwa 100 Jahre später verfassten Aufzeichnung der Familienchronik anders aus: einer der Mittäter hatte „in dem Schrecken über die unerwartete Störung den Sack vor dem Hause des Pfarrers fallen lassen.[…]Sogar die Beherztesten der Bande erkannten die Notwendigkeit eines schleunigen Rückzugs […] und nach einer großartigen Prügelei der Räuber unter sich, bei welcher die Pistole den Knüppel verdrängte, wurde der fernere Rückzug nach Düsseldorf bewerkstelligt.“

Fünf Jahre und viele Straftaten später wurde der Fetzer geschnappt und zum Tode durch das Fallbeil verurteilt.

Über die Ungeheuerlichkeit seiner Taten sind sich die Quellen einig. Nichtsdestotrotz ist am Ende des Artikels in „Aus der Heimat“ eine gewisse Bewunderung, die Teil der romantischen Verklärung ist, erkennbar: „niemals hat einer sein Todesurteil so ruhig aufgenommen wie er, und niemals ist einer heldenmütiger in den Tod gegangen. […] Noch lange aber nannte das Volk den Namen des großen Räubers mit Furcht und Schrecken.“

 Die Sammlung von Berichten über den Fetzer und seine Bande, die sich schwerpunktmäßig mit dem Überfall auf Pfarrer Pithan befassen, findet sich in der familiengeschichtlichen Sammlung der Pfarrerfamilie Denhard (AEKR, 8SL 063, Nr.45).

4 Gedanken zu „Räuberbanden und wehrhafte Pfarrer

    • Vor dem Fallbeil hat es ihn zwar nicht gerettet, aber eine Art „Bekehrung“ hat angeblich tatsächlich stattgefunden. Hier sind als Nachtrag noch die letzten Worte, mit denen sich der Fetzer – laut „Aus der Heimat“-Artikel – an die Menschenmenge vor der Richtplatz wandte:
      „Meine Freunde. Ich habe den Tod verdient, hundert für einen. Junge Leute, flieht das Laster! Eltern, erzieht eure Kinder in der Religion! Möchte mein Blut das letzte sein! Nun in Gottes Namen!“
      Schön, nicht wahr?! 🙂

      • Das ist ja wirklich insgesamt eine erbauliche Geschichte, fast wie der Schächer am Kreuz, der kurz vor dem Tod noch seine Sünden bereut. Eignet sich für eine Evangelisationsveranstaltung als Beispielgeschichte…..

  1. Die spannende Geschichte dieses Überfalls habe ich auch gelesen, und zwar in dem 1988 in Wiesbaden bei Fourier erschienenen Nachdruck des Buches „Actenmäßige Geschichte der Räuberbanden an den beyden Ufern des Rheins“ Johann Nikolaus Becker und Anton Keil, Orig.-Ausg. 1804 Theil 2. Enthaltend d. Geschichte d. Brabäntischen, Holländischen, Mersener, Crevelder, Neußer, Neuwieder und Westphälischen Räuberbande, aus Criminal-Protocollen u. geheimen Notizen d. Br. Keil zusammengetragen von e. Mitgl. d. Bezirks-Gerichts in Cöln

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