Präses Peter Beier 1992 zu 40 Jahren Kirchenordnung: „Wir benötigen nicht über zweihundert Artikel“

Mitte Januar 2023 hat die Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland die Kirchenordnung unserer Landeskirche in einer stark überarbeiteten und gekürzten Fassung verabschiedet. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Arbeiten an einer Kirchenordnung für die neu entstandene Landeskirche 1952 zu einem Abschluss gebracht worden. Im Laufe der Jahre war es zu zahlreichen Änderungen gekommen.

Verschiedene Ausgaben der Kirchenordnung 1952

Zum 40. Jubiläum der Kirchenordnung 1992 hat der damalige Präses Peter Beier einen Abschnitt seines „Bericht über die für die Kirche bedeutsamen Ereignisse“ auf der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland dieser Kirchenordnung gewidmet:

Er fürchte, diese Verfassung sei in der Substanz weithin gar nicht verstanden. Die Gestalt unserer Kirche und manche Entscheidungen der Gremien repräsentierten nicht mehr deren Geist. Denn durch übersteigerte Regelungsbedürfnisse sei die Souveränität der Gemeinden und Kirchenkreise eingeschränkt worden, es sei zu Bürokratisierungstendenzen gekommen.

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Die Rheinische Provinzialsynode 1923

„Damit ist die dritte Lesung der K. O. (Kirchenordnung) beendigt. Der Präses stellt ohne Widerspruch fest, dass die K. O. in der nun beschlossenen Fassung genehmigt und damit die bedeutsame und langjährige Arbeit der Revision unserer K. O. zum Abschluss gekommen ist. Gott segne den Bau!“

Nein, es handelt sich hier nicht um einen Vorgriff auf den zu erwartenden Beschluss der 76. Rheinischen Landessynode, die am 15.1. -20.1. 2023 in Düsseldorf erstmals seit drei Jahren wieder live zusammentritt. Dabei soll sie u. a. die überarbeitete und kräftig verschlankte neue Kirchenordnung der EKiR verabschieden. Dieser Protokollauszug stammt vielmehr von der 37. Rheinischen Provinzialsynode, die sich Ende August 1923 in Barmen versammelt hatte. Was beschäftigte die 142 Synodalen (allesamt Männer) vor hundert Jahren sonst noch?

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450 Jahre Emder Synode

Diese Woche wird die Rheinische Landessynode virtuell abgehalten. Natürlich stehen auch in diesem neuen Format die wichtigen kirchenpolitische Beschlüsse und Wahlen (nicht zuletzt die Wahl eines oder einer neuen Präses) im Fokus der Berichterstattung. Mit Fug und Recht erinnert die Synode aber auch an ihre bedeutende Vorgängerin, die im Oktober 1571 zu Emden zusammentrat und wegweisende Beschlüsse zur künftigen Verfassung der Reformierten Kirchen fasste.

Speziell zur historischen Bedeutung der Emder Synode für die Evangelische Kirche im Rheinland hat das Archiv der EKiR einen kurzen Beitrag verfasst, den Präses Rekowski allen Synodalen im Vorfeld zugesandt hat. Vielfältige weitere Informationen und Hintergründe zum Geschehen in Emden 1571 finden Sie auf der Webseite des Reformierten Bundes

Warum sind die rheinischen Superintendenten geborene Mitglieder der Landessynode?

Wenn vom 12. bis 16. Januar 2020 die 73. Rheinische Landessynode tagt, dann wird möglicherweise auch ein Thema zur Sprache kommen, das schon ein Jahr zuvor im Zusammenhang mit Überlegungen zur Verkleinerung der Landessynode die Gemüter bewegt hatte – die Frage nämlich, ob es gerechtfertigt ist, dass alle rheinischen Superintendenten qua Amt automatisch Mitglieder der Landessynode sind. Eine von der Kirchenleitung eingesetzte Arbeitsgruppe konnte keine theologische Begründung für diese Regelung finden und sah ihre Ursprünge „in der preußischen konsistorialen Verwaltung“. Doch ist dies tatsächlich so? Es ist reizvoll, dieser Thematik anhand der Protokolle der Rheinischen Provinzialsynoden des 19. Jahrhunderts nachzugehen.

Deckblatt und erste Seite des Protokolls der Provinzialsynode der Provinz Großherzogtum Niederrhein vom 20. bis 26. April 1819. Da im Kirchenkreis Saarbrücken damals drei Superintendenten amtierten und im Kirchenkreis Kreuznach zwei, wurden aus diesen Kirchenkreisen keine weiteren Pfarrer zur Synode zuzgezogen. Die Kirchenkreise Trarbach, Sobernheim, Wied, Koblenz, Aachen, Altenkirchen, Braunfels, Wetzlar und Simmern waren mit dem Superintendenten und je einem weiteren Pfarrer vertreten. (AEKR Boppard, Bestand Kirchenkreis Koblenz, Reg.-Nr. 06-1-2)

1817 hatte der preußische König in allen Provinzen die Einberufung von Provinzialsynoden angeordnet. Auch in den damals noch zwei rheinischen Provinzen Jülich-Kleve-Berg und Großherzogtum Niederrhein traten daraufhin im November 1818 bzw. im April 1819 Provinzialsynoden zusammen, die freilich nur aus den vom König ernannten Superintendenten und einer weiteren Anzahl von Pfarrern, nicht jedoch aus Laienvertretern bestanden. Diese Zusammensetzung entsprach allerdings in keiner Weise der presbyterial-synodalen Tradition von Rheinland und Westfalen, in der das Prinzip der gemeinschaftlichen Beratungen von Theologen und Nichttheologen sowie das Wahlprinzip einen hohen Stellenwert hatten.

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Kirchenordnungen: Eine unendliche Reformdebatte

Karte ohne Pins, Josef Niessen, Geschichtlicher Handatlas der deutschen Länder am Rhein. Mittel- und Niederrhein, Köln 1950, S. 20,Archivbibliothek LR1/211

Kirchenordnungen bilden seit dem 16. Jahrhundert so etwas wie die Verfassungstexte evangelischer Landeskirchen.

Anlässlich einer Fachtagung in Emden zur möglichen Reform der rheinischen Kirchenordnung skizzierte dieser Vortrag (PDF) die große Vielfalt an lutherischen, reformierten und reformkatholischen Kirchenordnungen, die im Gebiet des Rheinlandes teilweise bis zur französischen Zeit in Geltung standen.

Immer wieder -und bis in die Gegenwart- wechselten dabei Phasen detailverliebter Einzelregelungen mit Versuchen einer Verschlankung und Konzentration auf das Wesentliche ab. So widmete sich die immerhin 360 Seiten starke Kirchenordnung der Wild- und Rheingrafschaft von 1693 mit Inbrunst der genauen Speisenfolge, wie sie bei der auf 12-14 Uhr angesetzten Mittagspause während der Pfarrerkonvente gehandhabt werden sollte: …  Weiterlesen

Der Weseler Konvent 1568: Schlüsseldatum rheinischer Kirchengeschichte oder Fake-Event?

Spätestens seit seiner 300-Jahr-Feier 1868 gilt der sogenannte Weseler Konvent vom    3. November 1568 gewissermaßen als grundlegende Weichenstellung für die reformierte Kirche in Nordwesteuropa: Damals hätten die dort anwesenden 43 Vertreter niederländischer Flüchtlingsgemeinden erstmals Artikel für eine presbyterial-synodale Kirchenverfassung formuliert.

Der amerikanische Historiker Jesse Spohnholz hat nun hierzu vor einigen Wochen eine 280 Seiten starke Monografie publiziert: „The Convent of Wesel. The Event that never was or The Invention of Tradition“. Dort legt er m. E. überzeugend dar, dass dieser Konvent nie stattgefunden hat. Weiterlesen