Butter für den Kirchbau: Meddersheimer Turmsanierung in Zeiten der Hyperinflation

Preissteigerungen sind aktuell in aller Munde, allerdings kein Vergleich zu der durch die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs verursachten Hyperinflation des Jahres 1923. Ein beredtes Beispiel findet sich im kürzlich verzeichneten Archiv der Kirchengemeinde Meddersheim, die just in dieser Zeit dringend notwendige Reparaturen am Turm ihrer Kirche in Angriff nehmen musste.

aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 131B (Meddersheim), Nr. 56

Der Kostenvoranschlag des damit beauftragten Bauunternehmers von Ende August 1923 belief sich zunächst auf 3.812.837.500 Mark bei einem Stundenlohn von 480.000 Mark, die Summe steigerte sich jedoch im Zuge der galoppierenden Geldentwertung innerhalb nur weniger Wochen auf insgesamt gut acht Billionen Mark. Der Wertverlust verlief so rasant, dass Zahlungen bald innerhalb eines Tages überwiesen werden mussten. Da die Kirchengemeinde mit der Aufbringung der Beträge nicht mehr nachkam, drohte die durch Zahlungsstockungen und ausbleibende Materiallieferungen ebenfalls am Rande des Ruins stehende Baufirma mit dem Abbruch der Arbeiten, sofern die Gemeinde nicht wenigstens 60 Sack Kalk für die notwendigsten Ausbesserungen beschaffen würde. Mitte November 1923 war die Entwertung schließlich soweit fortgeschritten, dass der Bauunternehmer Rechnungen für geleistete Arbeiten nicht mehr in Geld, sondern in Naturalien, genauer: in Butter und „Frucht“ (also Getreide) als Ersatzwährung ausstellte.

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Urkunden, Akten und Amtsbücher aus fast 700 Jahren: Das Archiv der Kirchengemeinde Kirn

Zu den ältesten Beständen der Evangelischen Archivstelle Boppard zählt die Kirchengemeinde Kirn, deren Altes Archiv 44 Urkunden aus einem Zeitraum von 1325-1711 umfasst sowie gut 200 Akten und Amtsbücher wie Pfarrstellenakten ab 1553, Vermögen ab 1487, Bauwesen und Religionsstreitigkeiten ab 1600 und Schulwesen ab 1563. Auch das Neue Archiv mit einer sehr breiten Überlieferung Schwerpunktmäßig auf dem Rechnungswesen und den Amtsbüchern setzt bereits 1624 ein. Das jüngst retrokonvertierte und überarbeitete Findbuch der Kirchengemeinde ist jetzt online verfügbar.

Anna Catharina Wildgräfin zu Dhaun und Kyrburg stiftet in Ausführung des letzten Willens ihres Gemahls Philipp ein Kapital von 1000 Gulden für ein lutherisches Gymnasium zu Kirn (23. Juni 1711). Pergamenturkunde mit Siegel der Ausstellerin in Holzkapsel; aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 060B (Kirn, Altes Archiv), Urkunde 44

Neues Online-Findbuch: Kirchengemeinden Ohlweiler-Ravengiersburg

aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 130B, Nr. 94

Neu auf der Website des Archivs ist das Findbuch der Kirchengemeinden Ohlweiler-Ravengiersburg. Der seit 1539 evangelische Herzog Georg von Simmern hatte 1560 mit dem Augustiner-Chorherren-Kloster Ravengiersburg einen Vertrag geschlossen, demzufolge die Mönche sich der Augsburger Konfession gemäß verhalten sollten und 1566 schließlich das Kloster aufgehoben. 1697 gaben die Franzosen die Kirche dem Augustiner-Orden zurück. Die evangelische Gemeinde Ravengiersburg stand von da an in pfarramtlicher Verbindung mit Ohlweiler, behielt aber ihr eigenes Presbyterium. Ohlweiler hatte vor dem 30-jährigen Krieg eine eigene Pfarrei gebildet. Nachdem aber in Ohlweiler das Pfarrhaus abgebrannt war, mussten beide Orte von Simmern aus verwaltet werden und wurden durch den Rektor der Simmerner Lateinschule bedient. Erst 1883 erfolgte die Trennung von Simmern. Die Evangelische Kirche Ohlweiler wurde 1788 anstelle eines mittelalterlichen Vorgängerbaus errichtet. In Ravengiersburg ersetzte die 1908 eingeweihte neue Evangelische Kirche ein bescheidenes Gotteshaus von 1712.

Das Findbuch der Kirchengemeinde Merxheim-Weiler ist online

Porträt (Scherenschnitt) des Pfarrers Karl Chelius (1835-1838), aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 121B (Merxheim-Weiler), Nr. 9

Neu auf der Website des Archivs ist das Findbuch der Kirchengemeinde 4KG 121B Merxheim-Weiler. In Merxheim hielt das Luthertum zwischen 1541 und 1554 Einzug. 1866 kam der Ort mit dem Oberamt Meisenheim an Preußen, am Reformationsfest 1870 trat die Gemeinde der Union bei. Im selben Jahr fielen Pfarrhaus und Kirche einem Großbrand zum Opfer und wurden bis 1874 wieder aufgebaut. Weiler wurde 1540-50 durch die Reformation von der bisherigen Muttergemeinde Simmern unter Dhaun gelöst und eigene Pfarrei. Die evangelische Kirche wird als Tochterkirche von Simmern bereits 1349 erstmals erwähnt. 1716 wurde Seesbach nach Weiler überwiesen. Die um 1000 dort erbaute Semendiskapelle diente von 1716 bis 1889 als Simultaneum, 1911 konnte die neue evangelische Kirche eingeweiht werden. Die Evangelische Kirchengemeinde Merxheim-Weiler wurde am 1.7.1973 errichtet, am 1.7.1979 nach dem erneuten Anschluss des zwischenzeitlich mit Monzingen vereinigten Seesbach in Merxheim umbenannt und am 1.1.2016 schließlich mit Meddersheim und Monzingen zur Gemeinde Mittlere Nahe zusammengeschlossen. Das Schriftgut umfasst einen Zeitraum von 1484 bis 2016 und beeindruckt u.a. durch seinen Altbestand, der in Einzelstücken noch in vorreformatorische Zeit zurückreicht (verschiedene Dokumente zur Orts- und Regionalgeschichte ab 1484, Einkünfte und Kapitalien vor 1532, Pfarrkompetenz ab 1598, Schulwesen ab 1660, Simultaneum in Weiler und Seesbach ab 1698).

Neues Online-Findbuch: Kirchengemeinde Adenau

Betsaal am alten Pfarrhaus, 1888, aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 107B Adenau Nr. 57

Das um 1850 beginnende Archivgut der Kirchengemeinde Adenau spiegelt die extreme Diasporasituation einer Gemeinde wider, die sich zunächst nur aus wenigen in die rein katholische Hocheifel gekommenen Beamten und ihren Familien zusammensetzte. Sie wurden zuerst von Mayen, dann von Ahrweiler aus kirchlich betreut. Das Schriftgut dokumentiert nahezu lückenlos einen Zeitraum von 1847 bis 2013. Die Kirchengemeinde Adenau wurde am 1. April 1894 als Filialgemeinde von Neuenahr-Ahrweiler errichtet und am 21. Dezember 1906 zur eigenständigen Gemeinde erhoben. Zum 1. Januar 1977 wechselten nordrhein-westfälische Gemeindeteile zur Kirchengemeinde Flamersheim (KK Bad Godesberg). Das Findbuch der Kirchengemeinde 4KG 107B Adenau ist jetzt online auf der Website des Archivs verfügbar.

Schuldscheine für den Erweiterungsbau des Krankenhauses in Traben-Trarbach

1887 wurde in Traben-Trarbach ein Gründungskomitee für den Bau eines Krankenhauses in Trarbach ins Leben gerufen. Durch großzügige Spenden konnte bereits mit dem Bau 1898 begonnen werden. 1900 erfolgte dann die Eröffnung. Im selben Jahr schloss die Krankenhausverwaltung mit der Stadt Trarbach und der Gemeinde Traben einen Nutzungsvertrag. 1901 entschied sich die Evangelische Kirchengemeinde Trarbach mit dem Evangelischen Diakonieverein Zehlendorf einen Vertrag auf Gestellung von Schwestern für das Krankenhaus zu schließen. 1922 erfolgte die Übernahme der wirtschaftlichen und rechtlichen Verwaltung durch die Stadt Traben-Trarbach. Um den Fortbestand des Krankenhauses zu sichern, wurde das Evangelische Krankenhaus 1951 und in den folgenden Jahren mit Hilfe des Vereins zur Errichtung evangelischer Krankenhäuser e.V. Berlin gründlich umgebaut. Aus dieser Zeit stammen auch die vorliegenden Schuldscheine zu DM 100 und DM 500.

Diese Schuldscheine wurden allerdings nie herausgegeben. Beim Räumen des ehemaligen Büros der Kirchengemeinde Trarbach 1992 wurde die Schuldscheine noch ungeöffnet gefunden und bis auf wenige Exemplare kassiert. Die Schuldscheine wurden in der Bundesdruckerei Berlin gedruckt. Im Krankheitsfalle konnte der Darlehnsgeber diesen Schuldschein zur Begleichung der Krankenhaus- und Behandlungskosten verwenden. Im unteren Teil des Schuldscheins steht: Die Evangelische Kirchengemeinde Trarbach und die Stadt Traben-Trarbach treten dieser Schuldurkunde nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarung mit dem Verein zur Errichtung evangelischer Krankenhäuser e.V. bei. Der Schuldschein zeigt eine stilisierte Zeichnung des Krankenhauses. Links sieht man das alte Gebäude und rechts den neuen Anbau. Weitere Akten zu dem Krankenhaus finden sich im Bestand der Evangelischen Kirchengemeinde Trarbach: Signatur 4KG058B.

Crowdfunding Anno 1896/97: Seesbacher Kollektanten gehen Klinken putzen

Das Presbyterium der evangelischen Pfarrei Weiler-Seesbach sah sich Ende des 19. Jahrhunderts in Nöten: Nach dem Bau der katholischen Kirche in Seesbach 1889 und der gleichzeitigen Aufhebung des seit 1716 bestehenden Simultaneums in der baufälligen, abseits des Ortes gelegenen Semendiskapelle ohne Heizung und Orgel sah man sich veranlasst, ebenfalls ein neues, adäquates Gotteshaus zu errichten. Doch woher die veranschlagte Summe nehmen? Zwar hatte die Witwe Rübenich der Gemeinde ein Baugrundstück in Seesbach geschenkt, an Geldmitteln waren jedoch erst rund 9.000 Mark vorhanden.

aus Bestand: AEKR Boppard 4KG 121B Merxheim-Weiler

„Die gegenwärtig 300 Seelen zählende a r m e Gemeinde“, klagte Pfarrer Friedrich Wilhelm Bingel, bestehe „zum größten Teile aus Kleinbauern, Tagelöhnern und Waldarbeitern“, und sei somit auf „thatkräftige Unterstützung ihrer Glaubensgenossen“ angewiesen. Es blieb den Mitgliedern des Presbyteriums, unterstützt von weiteren Gemeindeangehörigen, also nichts weiter übrig, als höchstpersönlich Klinken putzen zu gehen. Und um die Erfolgschancen zu mehren, wählte man dafür gleich das gesamte Gebiet der preußischen Rheinprovinz. Nun ist der Einsatz von Kollektanten per se nicht ungewöhnlich, die im Archiv der Kirchengemeinde Merxheim-Weiler erhaltenen 21 Kollektenbüchlein, in denen die Reisen dokumentiert und die Erträge notiert wurden, sind dennoch eine bemerkenswerte und aufschlussreiche Quelle.

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