„Angebote aus Amerika liegen bereits vor“: Der Lutherfilm von 1923

Am 15. April 1923 berichtet das Düsseldorfer Sonntagsblatt, der kirchliche Anzeiger der evangelischen Gemeinden zu Düsseldorf, über ein Filmprojekt:

Lutherfilm.

Bereits seit längerer Zeit war man bemüht, einen großen Lutherfilm zu schaffen, ohne jedoch zu einem guten Ziele zu gelangen. Im Anschluss an die Worms- und Wartburgfeier in Eisenach wurde der Gedanke von neuem aufgegriffen und geht nun seiner Verwirklichung entgegen. Ein Komitee ist gebildet; die Dichtung und das daraus hervorgegangene Drehbuch sind von Pfarrer Nithack-Stahn in Charlottenburg unter Mitarbeit eines erprobten Filmsachverständigen fertiggestellt und werden geprüft. Die in Frage kommenden Lutherstädte: Eisleben, Eisenach, Erfurt, Wittenberg, Worms haben weitgehende Unterstützung des großzügigen Werkes in Aussicht gestellt. Im Laufe dieses Jahres wird in den genannten Lutherstädten mit den einzelnen Szenen begonnen werden.

Es wird gehofft, dass der Erfolg und die Verbreitung des Lutherfilms ein sehr großer sein wird; liegen doch bereits Angebote aus Amerika vor. Die Leitung des ganzen Unternehmens liegt in den Händen des ehemaligen Hofmarschalls Dr. jur. Freiherr v. d. Heyden-Rynsch in Eisenach, der diese große Sache angeregt und tatkräftig gefördert hat. Der Lutherfilm wird ein der modernen Zeit angepasstes Mittel sein, evangelisches Bewusstsein an der Gestalt und dem Lebensgang des deutschen Reformators zu stärken.

Postkarte der Evangelischen Bildkammer an den Rheinischen Provinzialausschuss für Innere Mission, Herrn Pfarrer Ohl(Leitung); Poststempel: 30.04.1924; Aus Bestand: AEKR, 5WV 051(Diakonisches Werk, Bestand Direktor Otto Ohl), Nr. 1060

Dies war seit 1911 der dritte Stummfilm, der sich mit Leben und Werk Martin Luthers beschäftigte. Entgegen den optimistischen Erwartungen des Presseberichts war dem Film, der auch unter dem Titel „Der Kampf seines Lebens“ vertrieben wurde, weder beim Publikum noch bei den Kritikern Erfolg beschieden. Es stellt sich auch die Frage, ob der ehemalige Oberhofmarschall und spätere Theaterintendant Bernhard Freiherr von der Heyden-Rynsch (1860-1931) der richtige Mann für ein modernes Filmprojekt war. Nicht in dem Düsseldorfer Artikel erwähnt wird Karl Wüstenhagen, der sowohl die Regie als auch die Hauptrolle übernahm. Später wirkte der überzeugte Nationalsozialist als Intendant des Hamburger Schauspielhauses. Interessant als Persönlichkeit ist der liberale Berliner Pfarrer Walther Nitharck-Stahn (1866-1942), der vielfältig schriftstellerisch tätig war.

Der Film ist, im Unterschied zu seinem erfolgreicheren Nachfolger von 1927, nicht erhalten. Einige Werbematerialien von 1923 wurden von den KollegInnen des Landeskirchlichen Archivs Nürnberg im Lutherjahr 2017 zu einer kleinen Ausstellung zusammengefasst.

Heute vor 100 Jahren: Resolution der evangelischen Arbeitervereine in der Rheinprovinz zur Alkoholfrage

Am 4. März 1923 berichtet das Düsseldorfer Sonntagsblatt, Kirchlicher Anzeiger der evangelischen Gemeinden zu Düsseldorf, über eine Entschließung an die Reichsregierung:

Resolution der evangelischen Arbeitervereine gegen den Alkoholgenuss
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Bücher als ein beliebtes Weihnachtsgeschenk- auch in der Zeit des Nationalsozialismus

Deutsche Weihnacht, deutsche Bücher, deutsche Weihnacht… “ aus der Archivbibliothek des AEKR unter der Signatur: He 082

Trotz technischer Neuerungen der letzten Jahrzehnte wie beispielsweise Computer, Tabletts und Spielekonsolen, zählen Bücher immer noch zu einem der beliebtesten Geschenke in der Weihnachtszeit. Dabei sind vor allem Thriller und Krimis bevorzugte Genres. Bei Jugendlichen sind es wahrscheinlich vor allem Abenteuererzählungen oder „Coming of Age“ Romane die die meisten ansprechen.

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Soldatenheime des Westdeutschen Jünglingsbundes vor dem Ersten Weltkrieg

Der Westdeutsche Jünglingsbund (1885-1930) wurde 1848 als „Rheinisch-Westfälischer Jünglingsbund“ gegründet. Seit 1970 ist der offizielle Name des Verbandes „CVJM-Westbund.“ Der Jünglingsbund widmete sich der Arbeit an christlich orientierten Jugendlichen und jungen Männern. Die Arbeit zählte zu dem weitläufigen Bereich der Inneren Mission.

Ein Arbeitsfeld des Westdeutschen Jünglingsbundes war die Soldatenmission. Diese Arbeit begann bereits vor 1900, wie der „Bericht aus der Arbeit“, 1898, belegt:

In den Garnisonorten der Provinzen Rheinland, Westfalen und Hessen-Nassau kann jetzt überall der Soldat christliche Gemeinschaft finden und ist außerhalb der Kaserne nicht mehr allein auf das Wirtshaus angewiesen. In Köln ist von uns ein besonderes Soldatenheim eingerichtet worden, ebenso auch in Coblenz. An letzterem Orte haben wir auch einen besonderen Soldatenpfleger angestellt.

„Ein Gang durch die Soldatenheime des Westdeutschen Jünglingsbundes.“; Verlag des Westdeutschen Jünglingsbundes, Barmen-U., 2. Aufl. ca. 1915; Quelle: Archivbibliothek EKiR, Sig. P1695

Ausführlich berichtet die Broschüre „Ein Gang durch die Soldatenheime des Westdeutschen Jünglingsbundes“ (2. Auflage, ca. 1915, Archivbibliothek Sign. P 1695):

Der Hilfsbund für die Soldatenfürsorge ist eine Abteilung des Westdeutschen Jünglingsbundes. Er hat in 250 Sektionen 8000 Mitglieder zusammengeschlossen. Der Zweck des Hilfsbundes ist: die Arbeit der christlichen Fürsorge für die Soldaten des Heeres und der Marine zu unterstützen und zu fördern; seine Aufgabe besteht darin: vaterländische Gesinnung auf monarchischer Grundlage im christlichen Geist zu pflegen.

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„Knabe von 10 1/2 Jahren – Zwangszögling – Tief eingewurzelte Neigung zum Stehlen“. Kinder in der Rettungsanstalt Düsseltal 1897

Im Juni 2022 konnte die Graf-Recke-Stiftung in Düsseldorf auf das 200jährige Jubiläum der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zurückblicken. Am 19. Juni 1822 hatte Adelberdt Graf von der Recke-Volmerstein mit 44 Kindern Einzug in das ehemalige Kloster Düsselthal im Osten Düsseldorfs gehalten. „Hat er nicht zuviel gewagt, da er die erst vor 3 Jahren gegründete Rettungsanstalt Overdyck verließ, […] um in ganz fremder, dazu fast rein katholischer Gegend eine in weit größeren Maßen und Zielen geplante neue Anstalt einzurichten?“ [Eugen Vömel, Und seine Blätter verwelken nicht. 100 Jahre Liebesarbeit in den Düsseltaler Anstalten 1822-1922, S. 4].

Recke-Volmerstein, Adalbert Graf (28.05.1791-10.11.1878) Repro

Die Arbeit hat sich trotz vieler Schwierigkeiten erfolgreich entwickelt und war dringend notwendig: „Die gesamte äußere und innere Entwicklung unseres Volkes, vor allem durch den ungeahnten Aufschwung der Industrie und das geradezu erschreckende Anschwellen der Großstädte brachte die heranwachsende Jugend in die größten sittlichen Gefahren und ihre Verwahrlosung nahm teilweise erschreckende Formen an.“ [Vömel, ebd., S. 11].

Im „Jahresbericht der Rettungsanstalt Düsselthal über das Jahr 1897″ gibt Direktor Pfarrer Johannes Karsch einen Überblick über die Belegung der Anstalt. Zu den 198 Kinder am 01.01.1897 kamen 75 Kinder hinzu, 52 Kinder schieden aus, daher belief sich die Zahl am Jahresende auf 221 Kinder, bei 226 Plätzen; darunter waren 141 Knaben, 80 Mädchen, davon 48 sog. Zwangszöglinge aufgrund des Gesetzes von 1878. Die meisten Kinder waren schulpflichtig, 8 waren zu jung, 24 bereits aus der Schule entlassen. 168 Kinder stammten aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf, 29 aus der übrigen Rheinprovinz, 15 aus Westfalen und 9 aus dem übrigen Deutschland. 57 Kinder waren Ganzwaisen, 105 Halbwaisen, 17 waren unehelich geboren.

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Stört der Eisenbahnverkehr die Sonntagsruhe und die Sonntagsheiligung?

Wir kennen die Diskussionen in Kommunalpolitik, Gewerkschaften und Kirchen um die mögliche Öffnung des Einzelhandels an bestimmten Sonntagen. Die Sonntage unterliegen einem besonderen Schutz, der im Sonn- und Feiertagsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen geregelt ist. Arbeitsverbote dienen dem Schutz der Sonntagsruhe und der Erholung, Veranstaltungsverbote sollen die Gottesdienste schützen.

Dass es in den ersten Jahrzehnten der Ausbreitung der Eisenbahnen Diskussionen darüber gegeben hat, ob der Eisenbahnverkehr an Sonntagen zur Sonntagsentheiligung beiträgt, hatte ich noch nicht gehört. Durch Zufall stieß ich jetzt auf den Artikel „Die Eisenbahnen und der Sonntag.“ Der Beitrag aus der „Neue Evangelische Kirchenzeitung“ wurde in der Zeitschrift „Der Säemann. Eine Wochenschrift für Mission in der Heimath und häusliche Erbauung“, Heft 8, 1869, abgedruckt. Diese Zeitschrift wurde vom Evangelischen Brüderverein in Elberfeld herausgegeben.

Der Säemann, 19. Jg. 1869, H. 8, Sign. ZK 772
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Der Archivar – Eine Kurzerzählung aus dem Jahr 1969

Die rheinische Kirchenzeitung „Der Weg“ hatte sich zeit ihres Bestehens (1945-2003) nicht unbedingt durch ein intensiveres Interesse an archivischen Belangen ausgezeichnet. Ein umso überraschenderer Fund gelang Kollegin Stefanie Sternemann vom Archiv des Ev. Kirchenverbandes Köln und Region: In der Ausgabe vom 19.1.1969 wurde die Kurzgeschichte „Der Archivar“ von Anneliese Berkenkamp publiziert.

Berkenkamp (geb. 1925) ist eine Berliner Malerin und Schriftstellerin, die auch zu dieser Erzählung eine eigene Illustration beisteuerte. Sie zeigt den namenlosen „Archivar“ in seinem spitzweghaften Idyll, dessen Seelenfrieden höchstens durch die physische Präsenz seiner Mitarbeiterin Fräulein Triller beeinträchtigt wird.

Nun ist das Thema „Archivare in der Literatur“ (es geht in der Tat nie um Archivarinnen) nahezu unerschöpflich, wozu es auch bereits erste Beiträge gibt. Fast alle dieser Publikationen eint die innige Lust an Klischees und dies gilt sehr ausgeprägt auch für diese Erzählung: „Ja, hier ist er zu Hause, der Wanderer im Ablauf der Geschichte, der selbst nirgends verzeichnet sein wird, hier wächst seine Lust zwischen trockenen knappen Zahlen…, ein Diener des lieben Gottes, der darauf achtet, dass nichts Denkwürdiges verlorengehe.“

Der abendliche Empfang durch seine Gattin fällt dann eher unterkühlt aus: Nach dem stundenlangen Memorieren von Gedenktagen in „tröstlichen dicken Folianten“ und dem „vertrauten süßen Geruch von vergilbten Blättern“ hatte er ein einziges Datum vergessen: den Geburtstag seiner Frau.