Jutta Müller-Zantop und die rheinischen Kirchensiegel

Jutta Müller-Zantop

Jutta Müller-Zantop

Jutta Müller-Zantop wohnt mit ihrem Mann, dem Architekten Wolfgang Müller-Zantop, in einem schönen Haus in Essen-Rellinghausen. Bei meinem Besuch durfte ich ihre Gastfreundschaft genießen und Fragen zur  grafischen Gestaltung von Kirchensiegeln, zu Siegelstempeln und zur Siegelordnung stellen. Wir gingen in ihr Grafikatelier unter dem Dach des Hauses. Sie erklärte mir einige Wachssiegel und Siegelstempel aus ihrer Sammlung und beantwortete meine Fragen.

Seit wann gestalten Sie Kirchensiegel beziehungsweise wie fing Ihre Arbeit mit den Kirchensiegeln an?

  • Am Ostersonntag 1962 wurde das Evangelische Gemeindezentrum Essen-Frillendorf eingeweiht. Das Architekturbüro meines Mannes hatte mit diesem Gemeindezentrum einen Architektur-Wettbewerb gewonnen.  Wenige Stunden vor der Einweihungsfeier rief am Samstag Pfarrer Wullenkord entnervt bei uns an: „der Koks ist gekommen, sie haben ihn voll in die Einfahrt gekippt, ich habe niemanden zum Einschaufeln!“ Wir nahmen unsere 5-jährige Tochter mit all ihren Eimerchen und Schüppchen ins Auto und fuhren nach Frillendorf. Mit der Pfarrfamilie schaufelten wir den Koks in den neuen Keller, wurden danach zum Mittagessen eingeladen und dabei sagte Pfarrer Wullenkord erleichtert mit Blick auf mich: „Jetzt brauchen wir nur noch ein Kirchensiegel, und das machen Sie!“ Meinen Entwurf musste ich beim Oberkirchenrat vom Landeskirchenamt Düsseldorf zur Genehmigung vorlegen. Dabei traf ich mit Herrn Archivrat Walter Schmidt zusammen, woraus sich eine langjährige Zusammenarbeit entwickelte.

Wie fanden Sie die Siegelordnung? Vereinfachte diese Ihre Arbeit oder war sie eher hinderlich?

  • Siegel sind juristische Datenträger und brauchen deshalb eine allgemeingültige Ordnung für ihr Erscheinungsbild. Die Siegelordnung der EKD von 1965 mit weiteren Ergänzungen hat die Tradition des Siegelgebrauchs ja seit dem Mittelalter neu formuliert und die Richtlinien für das Siegelwesen erarbeitet, in denen zum grafischen Äußeren das Studium der urchristlichen Symbolik neue Bedeutung bekam. Ich habe mich mit Interesse in die jeweiligen Themengebiete eingearbeitet und die Siegelordnung als notwendig und richtig akzeptiert – bis auf das Maß des Kleinsiegels mit dem Durchmesser von 21 mm. Dieses nenne ich meine Zwangsjacke, da es abgesehen von der extremen Verkleinerung auch kaum technisch befriedigend herzustellen ist – trotz Laser.

Was war Ihnen bei dieser Arbeit besonders wichtig?

  • Die kunsthistorische Sicht der Siegelkunde basiert auf der geschichtlichen und religionsbezogenen Sichtweise, die seit Zusammengehen und Trennen von Kirche und Staat in Europa immer neue Wandlungen durchgestanden hat. Durch den Überfluss der heutigen Piktogramme und APPS sind die ursprünglichen Symbole der christlichen Religionen in Vergessenheit geraten, wobei die katholischen Kirchen noch bildhafter denken als wir Protestanten. Diese Symbolik zum Leben zu erwecken war mir besonders wichtig.

Welche besonders witzigen Momente gab es in Ihrer Arbeit?

  • Mit Herrn Archivrat Schmidt habe ich viele Themen von Siegelbildern diskutiert, wenn Presbyterien und Pfarrer bei der Neuanschaffung eines Gemeindesiegels von mir nur ein Kreuz als Zeichen haben wollten, anstatt eines auf die Gemeinde zugeschnittenen Siegelbildes. Schmidt meinte lachend dazu: „Firma Kreuz & Co“. Da musste gegengearbeitet werden – sei es selbst mit einem Brustbild des Heiligen Stephanus, der auf einem Fremdentwurf ein Tablett mit Brötchen vor sich hertragen sollte anstelle der Steinbrocken für sein Martyrium.

In den Sechziger Jahren war ein selbstständiges Berufsleben als Frau nicht selbstverständlich. Wie denken Sie heute darüber?

  • Ein selbstständiger Beruf war nie ein Problem gewesen, da mein Ehemann und alle in der Familie in selbständigen Berufen tätig waren.

Seit wann wussten Sie, dass Sie Grafikerin werden wollten? Wer hat Sie bei der Berufswahl stark beeinflusst?

  • Kunst beziehungsweise Grafik war immer das Ziel von mir.

An welche Siegelarbeit denken Sie besonders gerne zurück?

  • An alle Siegelarbeiten denke ich gerne zurück.

Gibt es einen Traum, den Sie gerne noch im Leben umsetzen möchten?

  • Es gibt keinen Traum, sondern die reale Beschäftigung auf Dauer!

Ich danke sehr für das Gespräch.

Hier stellen wir Ihnen einige Siegelarbeiten von Jutta Müller-Zantop vor:

Siegel der Evangelischen Kirchengemeinde Müllenbach

Siegel der Evangelischen Kirchengemeinde Müllenbach

Siegelumschrift Evangelische Kirchengemeinde Müllenbach, Jutta Müller-Zantop zum Symbol: „In katholischer Zeit führten die Gemeinden an der Agger ein Siegel mit dem Heiligen Pankratius und der Heiligen Katharina. Das neue Siegel mit der Zeichnung der Kirchturmspitze enthält das Gründungsjahr der Kirche Müllenbach – 1097“.  Das Kirchensiegel wurde in Amtsblatt 5/1979 in Geltung gesetzt und am 1. Januar 2012 außer Geltung gesetzt.

Siegel der Evangelischen Kirchengemeinde Monheim

Siegel der Evangelischen Kirchengemeinde Monheim

Jutta Müller-Zantop zum Siegelbild: „Auf einer Länge von 14 km bildet der Rhein die natürliche Gemeindegrenze von Monheim. Der alte Torturm der Freiheit Monheim, genannt der ‚Schelmenturm‘, bestand schon vor der Gründung der ersten evangelischen Gemeinde 1610-1620″, der Schelmenturm ist das heutige Wahrzeichen der Stadt“ . Das Landeskirchenamt genehmigte am 20.11.1964 den Siegelentwurf ; das Kirchensiegel ist gutes Beispiel für eine stilisierte Darstellung, wie sie in der Kirchenordnung gefordert wurde.

Siegel der Evangelischen Kirchengemeinde Dellwig-Frintrop-Gerschede Gruch: Dellwig-Frintrop-Gerschede [Gründung des Pfarrvikariats Frintrop zum 4.Juli 1891 ; Beschreibung ; Gemeindegründung durch Ausgemeindung aus Borbeck zum 1.Okt.1893 ; Bericht von Pfr Goecke in: ; Umpfarrung der Siedlung Bermensfeld nach Oberhausen II zum 1. April 1956 ; Umpfarrung von Straßen nach Osterfeld zum 1.Okt.1956 ; ] Dellwig-Frintrop-Gerschede I [aufgehoben zum 1. Feb. 2011 ] Dellwig-Frintrop-Gerschede II Dellwig-Frintrop-Gerschede III [errichtet zum 1.April 1955 ] Dellwig-Frintrop-Gerschede IV [errichtet zum 1.Juni 1964 ] Dellwig-Frintrop-Gerschede V [errichtet zum 1. Mai 1991 ] Dellwig-Frintrop-Gerschede Gdemiss [aufgehoben zum 1.Jan.1977 ]

Siegel der Evangelischen Kirchengemeinde Dellwig-Frintrop-Gerschede

Die Gemeindegründung der Kirchengemeinde Dellwig-Frintrop-Gerschede erfolgte durch Ausgemeindung aus Borbeck zum 1.Oktober 1893; Jutta Müller-Zantop zum Symbol: „Ein Zahnrad mit Mittelkreuz als Speichen symbolisiert die Verschiebung des modernen Arbeitsbereiches. Die Gemeinde hatte in diesem Bereich den größten Güterbahnhof Europas und bleibt mit dieser Tradition verbunden.“ Das Kirchensiegel wurde in Amtsblatt 3/1968 in Geltung gesetzt.

 

Siegelumschrift "Evangelische Kirchengemeinde Essen-Burgaltendorf", Müller-Zantop: das Symbol zeigt den Turm der "Burgruine des Rittergeschlechts Altendorf, Wahrzeichen des Stadtteils Burgaltendorf, gekrönt von der Sonne Gottes", in Geltung gesetzt in Amtsblatt 9/1971 Gruch: Essen-Burgaltendorf [Gründung durch Ausgemeindung aus Niederwenigern (Westf.), Ausgemeindung aus Westf. und Errichtung einer Pfarrstelle zum 1.Juli 1971 ]

Siegel der Evangelischen Kirchengemeinde Essen-Burgaltendorf

Jutta Müller-Zantop schreibt zum Kirchensiegel:  „Das Symbol zeigt den Turm der Burgruine des Rittergeschlechts Altendorf, ein Wahrzeichen des Stadtteils Burgaltendorf, gekrönt von der Sonne Gottes“, Das Kirchensiegel wurde in Amtsblatt 9/1971 in Geltung gesetzt.

 

 

 

 

Im folgenden sehen Sie ein gutes Beispiel für eine Neuzeichnung eines alten Siegelbildes:

Siegelumschrift "1. Zeile Evangelische Kirchengemeinde Königssteele 2. Zeile Signum Pacis", Symbol: eine Friedenstaube mit Ölzweig, außer Geltung gesetzt, ohne Datum,

altes Siegel der Evangelischen Kirchengemeinde Königssteele

SSiegel der Evangelischen Kirchengemeinde Koenigssteele zu Essen-Steele Kirchengemeinde Königssteele zu Essen-Steele 2. Zeile Signum Pacis", Symbol: Friedenstaube mit Ölzweig, in Geltung gesetzt ? Gruch: Königssteele [Einpfarrung von Teilen der Kgm Wattenscheid zum 1. Okt. 1953 ; Abtrennung Horst-Eiberg zum 1.Juli 1964 ; Abtrennung Freisenbruch zum 1. Mai 1968 ] Königssteele I [bis 1890 ohne I] Königssteele II [errichtet 1890; mit Ruhestand Wahl 31.12.1981 Umwandlung in Krankenhaus (schon vorher Arbeitsschwerpunkt) , wird 2008 E Kkr XIII; alt III rückt nach] Königssteele III [errichtet 1913; wird 1968 Freisenbruch I, alt IV rückt auf; wird 2008 II; neuerrichtet zum 1. Aug. 2010 ] Königssteele IV [wird 1968 III] Königssteele V [errichtet 1960 ; wird 1964 Horst-Eiberg]

Siegel der Evangelischen Kirchengemeinde Koenigssteele zu Essen-Steele

Das alte Siegel zeigt eine Taube mit dem Ölzweig im Schnabel. Diese Taubendarstellung wird als Friedenstaube interpretiert, wie auch die Inschrift deutlich macht.

 

 

 

 

 

 

Das alte Motiv wurde für das aktuelle Siegel neu gezeichnet und im Juli 1963 vom Landeskirchenamt genehmigt.

 

 

 

 

 

Siegelumschrift "Evangelische Kirchengemeinde Straelen-Wachtendonk", die Lilie ist seit dem Mittelalter ein christliches Symbol der Marienbilder, die drei Lilien verweisen auf die Trinität, Jutta Müller-Zantop zum Symbol: Die Gemeinde Straelen-Wachtendonk mit ihren vielen Treibhäusern lebt vom Blumen und Gemüseanbau. So kam die symbolträchtige Lilie des Verkündigungsengels als biblische Pflanze in das Siegel", in Geltung gesetzt in Amtsblatt 5/1990, Gruch: Umbenennung in Straelen-Wachtendonk zum 1. Mai 1975

Siegel der Evangelischen Kirchengemeinde Straelen-Wachtendonk

 

Jutta Müller-Zantop schreibt zum Symbol: „Die Lilie ist seit dem Mittelalter ein christliches Symbol der Marienbilder, die drei Lilien verweisen auf die Trinität. Die Gemeinde Straelen-Wachtendonk mit ihren vielen Treibhäusern lebt vom Blumen und Gemüseanbau. So kam die symbolträchtige Lilie des Verkündigungsengels als biblische Pflanze in das Siegel“. Das Siegel wurde in Amtsblatt 5/1990 in Geltung gesetzt.

 

 

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Altes Siegel der Evangelischen Kirchengemeinde Holten

Jutta Müller-Zantop hat dieses alte Siegel in ihrem neuen Entwurf nachgezeichnet.

 

 

 

 

 

Siegelumschrift "Evangelische Kirchengemeinde Holten", Symbol: Arche Noah mit leicht geöffneter Tür, Taube mit Blatt, Baum ohne Blätter, in Geltung gesetzt in Amtsblatt 9/1972, außer Geltung gesetzt nach Fusion mit Sterkrade zum 1. Januar 2010 Gruch: Holten [; Aufhebung durch Vereinigung mit Sterkrade zu H-St zum 1. Jan. 2010 ] Holten I [vor 1930 ohne I; wird 2010 H-St VI] Holten II [errichtet ca 1930; wird 1.April 1955 Wehofen I ; neuerrichtet zum 1.Feb.1977 aus Gdemiss ; wird 2010 H-ST I] Holten PfBez Wehofen Holten Gdemiss [wird 1977 II]

Siegel der Evangelischen Kirchengemeinde Holten, außer Geltung gesetzt

 

Jutta Müller-Zantop schreibt zum Symbol: „Das Siegel zeigt die Arche Noah mit leicht geöffneter Tür, die Taube mit Blatt im Schnabel, der Baum ist ohne Blätter”. Das Siegel wurde im Amtsblatt 9/1972 in Geltung gesetzt und nach der Fusion mit Sterkrade zum 1. Januar 2010 außer Geltung gesetzt.

 

 

 

In der Archivbibliothek kann Literatur von Jutta Müller-Zantop ausgeliehen werden:

Buchcover vom Ausstellungskatalog "Kirchliche Siegel 1961-1999" mit einem alten Siegel von 1612 der Kirchengemeinde Stolberg

Buchcover vom Ausstellungskatalog „Kirchliche Siegel 1961-1999“ mit einem alten Siegel von 1612 der Kirchengemeinde Stolberg

Rückseite vom Ausstellungskatalog "Kirchliche Siegel 1961-1999" mit dem Siegel der Grafikerein Jutta Müller-Zantop

Die Rückseite vom Ausstellungskatalog „Kirchliche Siegel 1961-1999“ mit dem Siegel der Grafikerin Jutta Müller-Zantop

 

 

 

 

 

 

 

siehe auch den Beitrag zu Jutta Müller-Zantop vom 18. Mai 2016.

Die Siegelordnung wird am 17. November 2016 fünfzig Jahre alt. Dazu veröffentlichen wir am 17. November einen weiteren Beitrag.

 

 

2 Gedanken zu „Jutta Müller-Zantop und die rheinischen Kirchensiegel

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