Kirchliche Verwaltungssprache und NS-Ideologie

Der Begriff der „glaubensverschiedenen Ehe“ ist heute eine übliche und völlig unverfängliche Bezeichnung für Verbindungen von Ehepartnern unterschiedlicher Konfession oder Religion. Gegenüber dem gelegentlich noch gebrauchten Begriff der „Mischehe“ erscheint sie uns Heutigen als angenehm neutral. Kaum jemandem ist freilich bewusst, dass die Einführung des Ausdrucks „glaubensverschiedene Ehe“ in den amtlichen kirchlichen Sprachgebrauch unter äußerst brisanten politischen Vorzeichen erfolgte, nämlich im Zuge des rassischen Antisemitismus in der Zeit des Nationalsozialismus.

Bis Mitte der 1930er Jahre wurde in der kirchlichen Statistik für Ehen zwischen Partnern unterschiedlicher Konfession der traditionelle Begriff der „Mischehe“ verwendet. Im Zuge der antisemitischen Ideologie des Nationalsozialismus durfte ab 1935 das Wort „Mischehe“ aber nunmehr ausschließlich rassisch verwendet werden, also für Ehen zwischen einem „Arier“ und einer „Nichtarierin“ oder umgekehrt. Ein auch im Kirchlichen Amtsblatt der Rheinprovinz veröffentlichter Erlass des Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 23. Mai 1935 verbot im behördlichen Verkehr die bisherige konfessionsbezogene Verwendung.

Erlass des Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung von 1935 über die Verwendung des Begriffs "Mischehe" (Kirchliches Amtsblatt der Rheinprovinz Nr. 26/1935) .

Erlass des Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung von 1935 über die Verwendung des Begriffs „Mischehe“ (Kirchliches Amtsblatt der Rheinprovinz Nr. 26/1935) .

Die von einem deutschchristlichen Konsistorium geleitete Evangelische Kirche der Rheinprovinz reagierte ohne Verzug auf diese Anordnung. Den bereits gedruckten statistischen Erhebungsbögen für das Jahr 1935 wurde die Aufforderung beigefügt, das Wort „Mischehe“ in „konfessionell gemischte Ehe“ zu ändern.

Kirchlicher Statistikbogen von 1935 mit dem vorgedruckten Wort "Mischehe" und der Aufforderung, dieses entsprechend der Vorgaben des Regimes zu ändern.

Kirchlicher Statistikbogen von 1935 mit dem vorgedruckten Wort „Mischehe“ und der Aufforderung, dieses entsprechend der Vorgaben des Regimes zu ändern.

Ab dem Neudruck 1937 erhielt der Erhebungsbogen dann den bis heute üblichen Begriff der „glaubensverschiedenen Ehe“. Was vordergründig wie eine harmlose Modernisierung der Verwaltungssprache aussah, war in Wirklichkeit eine Anpassung des kirchenamtlichen Vokabulars an die antisemitisch durchtränkte Sprache des NS-Regimes.

Neudruck 1937 des kirchlichen Statistikbogens mit dem vom NS-Regime favorisierten Begriff der "glaubensverschiedenen Ehe".

Neudruck 1937 des kirchlichen Statistikbogens mit dem vom NS-Regime favorisierten Begriff der „glaubensverschiedenen Ehe“.

 

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Ein Gedanke zu „Kirchliche Verwaltungssprache und NS-Ideologie

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