Geschäfte für den guten Zweck

Preisliste der Handlung des Evangelischen Stifts Koblenz aus der Zeit um 1900 mit dem Formular "Hauptbuch (Manual) nach Schema F" im Angebot, aus Bestand: AEKR Boppard

Preisliste der Handlung des Evangelischen Stifts Koblenz aus der Zeit um 1900 mit dem Formular „Hauptbuch (Manual) nach Schema F“ im Angebot, aus Bestand: AEKR Boppard

Das Evangelische Stift St. Martin in Koblenz wurde 1844 als Kranken- und Waisenhaus gegründet. Sein Begründer, der aus Kreuznach stammende Johann Friedrich Kehr (1804-1867), war allerdings von Hause aus Buchdrucker, und so lag es nahe, dass er dem Stift ein Geschäftsmodell zugrunde legte, bei dem sein erlernter Beruf eine zentrale Rolle spielte. Neben dem Kranken- und Waisenhaus betrieb er noch eine Druckerei, eine Buchbinderei sowie eine Buch- und Schreibwarenhandlung, deren Reinerträge unmittelbar in die Finanzierung der beiden sozialen Einrichtungen flossen. Mit diesem Modell, das diakonische und ökonomische Gesichtspunkte auf ausgesprochen erfolgreiche Weise miteinander verknüpfte, gelang es dem Evangelischen Stift St. Martin, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Hauptlieferanten für kirchlichen Büro- und Verwaltungsbedarf zu werden. Eine Preisliste aus der Zeit kurz vor 1900 dokumentiert die breite Angebotspalette, die die Stiftsbuchhandlung und -druckerei  in dieser Zeit bereit hielt.

Neben Briefpapier und Schreibwerkzeug unterschiedlichster Art hatte sich die Stiftsbuchhandlung vor allem auf das zu Beginn des 20. Jahrhunderts in höchster Blüte stehende kirchliche Vordruckwesen spezialisiert. Von Kirchen- und Lagerbuchformularen über Reisekosten-Liquidationen für Kreissynoden bis hin zum Hauptbuch „nach Schema F“ konnte man hier alles beziehen, was für eine korrekte kirchliche Verwaltungsführung erforderlich war. Im Angebot waren aber auch Mal- und Zeichenbedarf, Lederwaren, und selbst Kölnisch Wasser konnte man erwerben.

Die Stiftsbuchhandlung hatte - neben Portemonnaies, Kölnisch Wasser und Strohdeckeln - auch eine breite Palette an um 1900 modernen Vervielfältigungsapparaten im Angebot, aus Bestand AEKR Boppard

Die Stiftsbuchhandlung hatte – neben Portemonnaies, Kölnisch Wasser und Strohdeckeln – auch eine breite Palette an um 1900 modernen Vervielfältigungsapparaten im Angebot, aus Bestand AEKR Boppard

Dass das Stift dabei stets am Puls des technischen Fortschritts war, zeigt das Angebot an Vervielfältigungsapparaten. Es reichte vom einfachen Hektographen (4,- Mark) über den nach seinem Erfinder benannten, in der Handhabung etwas bequemeren Schapirographen (17,- Mark)  bis hin zum teuren Cyclostyle (45,- Mark). Um 1900 waren diese Geräte der letzte Schrei in der modernen Bürokommunikation, heute sind sie längst vergessen. Das Evangelische Stift St. Martin in Koblenz selbst besteht jedoch weiterhin. Seit 2014 ist es ein Teil des Gemeinschaftsklinikums Mittelrhein.

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