Zwei Deutsche auf dem Bahnhof von Aleppo 1915

Kapitänleutnant Hellmuth von Mücke, dahinter Konsul Walter Rößler; aus Bestand: AEKR Düsseldorf 7 NL002 (Nachlass OKR Helmut Rößler), 14 - Album 7

Kapitänleutnant Hellmuth von Mücke, dahinter Konsul Walter Rößler; aus Bestand: AEKR Düsseldorf 7 NL002 (Nachlass OKR Helmut Rößler), 14 – Album 7

Dieser aktuelle Fund aus unseren historischen Fotobeständen zeigt einen Herrn mit zeittypischem Panama-Hut und einen Offizier in türkischer Uniform, der sich mit Blumen im Arm zur Weiterfahrt anschickt. Ersterer ist der deutsche Konsul Walter Rößler (1871-1929), Vater des späteren rheinischen Oberkirchenrates Helmut Rößler. Aus seinen Fotoalben stammt die Aufnahme. Wer aber war jener in der Bildunterschrift genannte „v. Mücke“, den er damals in der mittlerweile vom Bürgerkrieg so schwer heimgesuchten nordsyrischen Stadt verabschiedete?

Es handelt sich um Hellmuth von Mücke (1881-1957). Als Erster Offizier auf dem Kreuzer „Emden“ hatte er am 9. November 1914 den Landungstrupp angeführt, der auf den Kokosinseln im Indischen Ozean die dortige Funkstation zerstören sollte. Dabei wurde ihr Schiff vom australischen Kreuzer „Sydney“ überrascht und versenkt. Mücke und seinen Leuten gelang es aber, auf einer abenteuerlichen Schiffs- und Landreise bis Anfang Mai 1915 die Hedschasbahn Richtung Syrien zu erreichen. Nach Ausweis von Rößlers Gästebuch traf er am 13. Mai in Aleppo ein und übernachtete im Hause des Konsuls bis zur Weiterfahrt nach Konstantinopel am 16. Mai. Hierzu wurde er offensichtlich vom osmanischen Bündnispartner mit einer neuen Uniform ausgestattet.

Die im Krieg gemachten Erfahrungen brachten beide Männer um ihr seelisches Gleichgewicht. Rößler wurde in Deutschland von einflussreichen Kreisen wegen seiner aufrechten Haltung bei dem türkischen Genozid an den Armeniern mit Misstrauen behandelt. 1921 untersagte ihm das Auswärtige Amt, in dem Prozess um die Ermordung des ehemaligen osmanischen Innenministers Mehmet Talat als Zeuge auszusagen. Man befürchtete, dass er unter Eid die peinliche Konspiration der kaiserlichen Regierung mit dem verbündeten Regime in Konstantinopel ansprechen würde. Kurz darauf erkrankte Rößler schwer und verstarb mit gerade 58 Jahren.

Mücke hatte 1915 miterlebt, wie seine nach Deutschland heimgekehrten Matrosen innerhalb kürzester Zeit an allen Fronten sinnlos verheizt wurden. Nach 1918 engagierte er sich politisch, trat früh in die NSDAP ein, die er aber bereits 1929 im Streit wieder verließ. Fortan agitierte er für verfassungsloyale Organisationen. Mit dem Stigma eines „Nationalbolschewisten“ versehen, erhielt er nach 1933 Schreib- und Redeverbot und kam zweimal in KZ-Haft. Die Popularität des ehemaligen Kriegshelden schützte ihn nur knapp vor noch härterer Verfolgung. Nunmehr überzeugter Pazifist, publizierte er noch 1952 Schriften gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik.

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