Hier soll ein Schreiben des Pfarrers und Superintendenten Walter Wolff aus Aachen – in seiner Funktion als Präses der Rheinischen Provinzialsynode – vom 2. Oktober 1923 an Pfarrer Wilhelm Menn vorgestellt werden. Menn war Pfarrer der kleinen Kirchengemeinde Remlingrade bei Remscheid und seit 1922 im Nebenamt der erste Sozialpfarrer der rheinischen Kirchenprovinz. In dieser Funktion sollte er sozialethische Themen bearbeiten und die Kirche in den Gremien der Arbeitswelt vertreten.
In dem Schreiben geht es um die Gehaltszahlung für die Pfarrer und die Spesen für Menn – unter den erschwerten Bedingungen der gewaltigen Inflation, die Deutschland erfasst hatte. Anschaulich macht die ungeheure Geldentwertung die Entwicklung des Briefportos 1923 (Quelle: Wikipedia): 31.01.: 50 Mark,
26.06.: 100 Mark,
08.08.: 1.000 Mark,
07.09.: 75.000 Mark,
03.10.: 2 Mio. Mark,
22.10.: 10 Mio. Mark,
03.11.: 100 Mio. Mark,
09.11.: 1 Mrd. Mark. Bei der Währungsreform am 15.11.1923 betrug das Porto 10 Mrd. Mark, die einem Reichspfennig entsprachen. Der Dollarkurs in Mark war 1923 von 49.000 bis auf 4,2 Billionen Mark gestiegen, die am 15.11. 4,20 Reichsmark entsprachen.
Aber zum Zeitpunkt des Briefes befinden wir uns noch mitten in dem Prozess, der besondere Handlungsweisen nötig machte: So brachte Wolff das Geld persönlich im Auto zu den Pfarrern. Lassen wir nun Walter Wolff sprechen:
Lieber Kollege Menn!
Vielen Dank für Ihren ausführlichen Brief. Ich habe inzwischen, um die Gehaltszahlungen für die Pfarrer zu beschleunigen und zwar in ausreichender Höhe, Schritte beim Konsistorium getan, die vollen Erfolg gehabt haben. Unter dem 18/9. sind an örtlichen Sonderzulagen angewiesen nachträglich für September 18 Millionen, für Oktober voraus 125 Millionen; am 22/9. Gehaltsvorschüsse für September 1,8 Milliarde, für Oktober 3,6 Milliarden; am 27. September für September 3,7 Milliarden, für Oktober 12,1 Milliarden. Hoffentlich ist das alles auch in Ihre Hände gelangt. Ich habe für meine Synode den ganzen Betrag auf der Regierung erhoben und das Geld mit einem Auto den Pfarrern selbst gebracht.
Unsere Abrechnung mit Ihnen kann sich folgendermassen gestalten: Heute geht Ihnen auf Ihr Postscheckkonto der Betrag Ihrer Auslagen mit M 235.206.000 M zu. Die Ihnen am 27. v. M. überwiesene 1 Milliarde Mark bitte ich, da Sie inzwischen durch die Regierung die örtlichen Sonderzuschläge erhalten haben, so zu behandeln, dass Sie 500 Millionen auf Ihre Dienstaufwandsentschädigung bis 30.9. verrechnen und 500 Millionen als Vorschuss betrachten, wovon Sie Ihre Auslagen für Reisen u.s.w. bestreiten. Sobald der Vorschuss annähernd aufgebraucht ist, rechnen Sie mit uns ab und erbitten einen weiteren Vorschuss. Damit hoffe ich, den besten Weg gefunden zu haben, um Sie nicht allzusehr zu belasten.
Was nun Ihre weitere Arbeit angeht, so dürfen die Reisekosten natürlich nicht gescheut werden, sonst hat ja die ganze Einrichtung unseres sozialen Pfarramts keinen Sinn. Die Gelder müssen aufgebraucht werden. Im Juli wurden mir vom E.O.K. [Evangelischen Oberkirchenrat in Berlin] ungefähr 27 Millionen Mark zur Verfügung gestellt, die ich zum Glück damals sofort wertbeständig angelegt habe; sie haben heute einen Wert von 4 Milliarden. Wir können also immerhin etwas tun, und dass Sie Ihre Arbeit möglichst sparsam einrichten, weiss ich. …
Mit herzlichen Grüßen
Ihr D. W. Wolff, Präses